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Bildungspsychologie » Bildungspsychologie Grundlagen » Einführung
Was ist Bildungspsychologie und womit beschäftigt sie sich?
Bildung kann auf formaler Ebene und auf inhaltlicher Ebene beschrieben werden.
Auf der formalen Ebene wird Bildung sowohl als Prozess als auch als Produkt verstanden.
Bildung als Produkt bezeichnet Bildungskomponenten. Das sind die überdauernden Ausprägungen der Persönlichkeit eines Menschen, die unter einer gesellschaftlich-normativen Perspektive wünschenswert sind.
Bildung als Prozess beinhaltet den Aufbau und die Art und Weise der sozialen Vermittlung dieser wünschenswerten Persönlichkeitsausprägungen.
Die inhaltliche Ebene fragt danach, welche Persönlichkeitsausprägungen (= welche Produkte) gesellschaftlich wünschenswert sind. Baumert definiert Bildungsziele (s. anderen Eintrag).
"Die Bildungspsychologie beschäftigt sich aus psychologischer Perspektive mit allen Bildungsprozessen, die zur Entwicklung von Bildungskomponenten (= wünschenswerte Persönlichkeitsausprägungen aus gesellschaftlich-normativer Perspektive) beitragen, sowie mit den Bedingungen, Aktivitäten und Maßnahmen (wie z.B. Instruktion durch Lehrpersonen, Wissensvermittlung durch Medien), die diese Prozesse gemäß psychologischer Theorien und Modelle beeinflussen können (z.B. initiieren, aufrechterhalten, unterstützen, optimieren)."
(Spiel, Götz, Wagner, Lüftenegger und Schober, 2022)
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-10-10
Welche Bildungsziele für die allgemeinbildende Schule identifiziert Baumert?
- Kulturelle Basiskompetenzen
Verkehrssprache, mathematische Modellierungsfähigkeit, Fremdsprache, informationstechnologische Kompetenz
- Orientierungswissen in zentralen kulturellen Wissensbereichen (Naturwissenschaften, Geschichte, Wirtschaft, ...)
Das Wissen sollte hinreichend breit, in sich gut organisiert, vernetzt und erprobt sein. Es sollten in anderen Situationen angewendet und abgerufen werden können.
- Kompetenz zur Selbstregulation des Wissenserwerbs (Planung, Durchführung und Kontrolle des eigenen Lernens)
- Sozial-kognitive Kompetenzen
Perspektivenwechsel, Empathie, Hilfsbereitschaft, Kooperation, Verantwortungsbereitschaft, moralisches Urteilen…
(Baumert, 2000)
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-10-10
Durch welche Dimensionen wird das Strukturmodell der Bildungspsychologie aufgespannt?
Das Strukturmodell ermöglicht die Systematisierung des Feldes der Bildungspsychologie, d. h. psychologisches Handeln im breiten Feld von Bildung systematisch einzuordnen.
Die Bedingungen, Aktivitäten und Maßnahmen, die Bildungsprozesse beeinflussen, können
- sich auf verschiedene altersspezifische Bildungsphasen eines Individuums beziehen (= Bildungskarriere),
- unterschiedliche bildungspsychologische Aktivitäten und Maßnahmen erfordern (= Aufgabenbereiche) und
- auf verschiedenen Abstraktions- und Aktivitätsniveaus (= Handlungsebenen) angesiedelt sein.
Dies sind die Dimensionen des Strukturmodells der Bildungspsychologie.

Dieses Konzept unterscheidet die Bildungspsychologie hinsichtlich der Bildungskarriere von der eher klassischen Pädagogischen Psychologie, die eher nicht die gesamte Lebensspanne abdeckt.
| Primärbereich |
Grundschule |
| Sekundärbereich |
Weiterführende Schule |
| Tertiärbereich |
Hochschule, Duale Ausbildung/Berufliche Bildung |
Auch die Handlungebene erweitert die klassische Pädagogische Psychologie, die sich eher auf der Mikroebene, also betreffend Individuen bewegt. Die Meso-Ebene ist in der Bildungspsychologie von besonderer Bedeutung in ihrer Ausprägung von Institutionen wie Klassen, Schulen etc.
Auf der Makroebene bewegt sich das bildungsrelevante Gesamtsystem (Studien zum Bundesländervergleich oder internationale Vergleiche, oder Studien zu Auswirkungen von gesetzlichen Änderungen/strukturellen Veränderungen, wie zum Beispiel der Abschaffung bestimmter Schulformen).
Die Aufgabenbereiche stellen das Tätigkeitsfeld von Psychologen etc. dar. Besonders für die Bildungspsychologie ist hier der Bereich Monitoring & Evaluation!
(Spiel, Götz, Wagner, Lüftenegger und Schober, 2022)
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2024-04-08
In welche sieben Phasen kann die Bildungskarriere eingeteilt werden?
Die sieben Phasen der Bildungskarriere lauten
- Säuglings- und Kleinkindalter
- Vorschulalter
- Primärbereich
- Sekundärbereich
- Tertiärbereich
- Mittleres Erwachsenenalter
- Höheres Erwachsenenalter
(Spiel, Götz, Wagner, Lüftenegger und Schober, 2022)
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-16
Welche fünf Aufgabenbereiche werden in der Bildungspsychologie unterschieden?
Die fünf Aufgabenbereiche in der Bildungspsychologie lauten
- Forschung
- Beratung
- Prävention
- Intervention
- Monitoring und Evaluation
(Spiel, Götz, Wagner, Lüftenegger und Schober, 2022)
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-16
Auf welchen drei Handlungsebenen kann man bildungspsychologische Aufgaben verorten?
Die drei Handlungsebenen bildungpsychologischer Aufgaben lauten
- Mikroebene (Individuum)
- Mesoebene (Klassen-/Schul-Verband)
- Makroebene (Nationale/Internationale Studien und Entscheidungen; die Ebene der bildungspolitisch relevanten Gesamtsysteme)
(Spiel, Götz, Wagner, Lüftenegger und Schober, 2022)
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-16
Stellt die Bildungspsychologie ein Grundlagen- oder ein Anwendungsfach dar? Wo lässt sich die Bildungspsychologie im Quadrantenmodell wissenschaftlichen Arbeitens verorten?
Quadrantenmodell wissenschaftlichen Arbeitens (nach Stokes,1997)

Die Bildungspsychologie ist im Quadratenmodell wissenschaftlichen Arbeitens von Stokes (1997) unter use-inspired basic research einzuordnen, da sie sowohl Erkenntnis- als auch Anwendungsziele in hohem Maße verfolgt.
(Spiel, Götz, Wagner, Lüftenegger und Schober, 2022)
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-16
Wie ist die historische Entwicklung der Bildungspsychologie?
1899 Gründung der Zeitschrift für Pädagogische Psychologie
bis 1920 Gründungsphase
Richtungsstreit/Behaviorismus (v. a. USA) in den 20er/30er-Jahren und der NS-Zeit
ab 1945 Neubeginn und Restauration
ab 1960 Bildungsreformen auf Grund der Bildungskatastrophe (Bildungsreserven werden nicht erschöpft, Ungleichheiten in Bildungsbeteiligung
ab 1980 Neuere Entwicklungstrends ("Kognitive Wende", ersetzt Behaviorismus)
2000 PISA-Schock
(2020 Corona-Krise)
(Krapp, 2014)
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-16
Welche Kompetenzen beinhaltet der Hochschulqualifikationsrahmen (HRQ) der KMK 2017?
(KMK = Kultusministerkonferenz)

Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-03-15
Wie spielen Lernen als aktive Informationsverarbeitung und Selbstregulation zusammen?

Lernen als aktive Informationsverarbeitung
Im sensorischen Register wird sehr viel Information empfangen. Das Arbeitsgedächtnis wählt daraus aus (Flaschenhals), was in den Langzeitspeicher überführt wird. Die Funktion des Langzeitspeichers ist, neu eingehende Informationen zu interpretieren und die Selektion zu beeinflussen, sowie langfristig abrufbar zu machen.
Letzteres erfordert Vorwissen sowie diverse Aktivitäten zur Vernetzung:
- Organisieren der Inhalte
- Stärken der Inhalte (Wiederholen stärkt die Gedächtnisverbindungen)
- Elaborieren (= aktives Verarbeiten der Inhalte, indem man Beziehungen sucht, oder Inhalte transformiert [Text zu Vortrag/Graphischer Darstellung])
- Generieren (= Schlussfolgern bzw. Ableiten von Implikationen aus bestimmten Erkenntnissen
Selbstregulation
Die kognitiven Lernstrategien müssen durch metakognitives Planen, Überwachen und Regulieren unterstützt werden. Das wird durch Selbstregulation ermöglicht.
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-16
Was ist das Erwartung-mal-Wert-Modell von Eccles?
Unsere Leistungs-/Anstrengungs-Bereitschaft erhöht sich mit steigender persönlicher Bedeutsamkeit eines Themas und ist von zwei Faktoren abhängig:
- Erfolgs-Erwartung
Kann ich die Herausforderung bewältigen?
- Wert-Erwartung (Subjektiv)
Will ich die Herausforderung bewältigen?
- Interesse/Freude (Macht mir das Spaß?)
- Zielerreichungswert (Ist es mir wichtig?)
- subjektiver Nutzen / Instrumentalität (Was bringt mir das?)
- relative Kosten (Was verliere ich, wenn ich es nicht mache?)
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-16
Was ist Unterrichtsqualität und wie sieht das Angebots-Nutzungs-Modell aus?

(Lipowski, 2020)
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-03-15
Was ist die Kognitive Theorie multimedialen Lernens (CTML, Mayer, 2009)?
Die Informationsverarbeitung verläuft in der kognitiven Theorie multimedialen Lernens wie folgt:

(Brünken, Münzer und Spinath 2019)
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-03-15
Wie lauten die zehn wichtigen Erkenntnisse zur kognitiven Perspektive des Lernens nach Schneider und Stern, 2010?
"The Cognitive Perspective on Learning: Ten Cornerstone Findings"
- Es ist der/die Lernende, der/die lernt.
- Optimales Lernen baut auf Vorwissen auf.
- Lernen erfordert die Integration von Wissensstrukturen.
- Beim optimalen Lernen geht es um den ausgewogenen Erwerb von Konzepten, Fähigkeiten und metakognitiven Kompetenzen.
- Optimales Lernen baut komplexe Wissensstrukturen durch die hierarchische Organisation von grundlegenderen Wissenseinheiten auf.
- Im Idealfall nutzt das Lernen Strukturen in der Außenwelt, um Wissensstrukturen im Kopf zu organisieren
- Das Lernen ist limitiert durch die Architektur und die Kapazität der menschlichen Informationsverarbeitung.
- Lernen resultiert aus dem dynamischen Zusammenspiel von Emotion, Motivation und Kognition.
- Optimales Lernen baut übertragbare Wissensstrukturen auf.
- Lernen erfordert Zeit und Mühe.
(Schneider und Stern, 2010)
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-16
Bildungspsychologie » Bildungspsychologie Grundlagen » Wissen und Wissenserwerb
Welche Gedächtnismodelle sind für das Lernen relevant und welche Merkmale kennzeichnen sie?
Funktion des Gedächtnis:
- Informationsverarbeitung
- Umwandlung eines sensorischen Reizes in kognitiv weiterverarbeitbare Information
- Auswahl und Verknüpfung von Informationen
- Konstruieren bedeutungshaltiger kognitiver Strukturen
- Speicherung von Information
- dient der (späteren) Verfügbarkeit von Informationen
- Prozesse der Informationsverarbeitung (Wiederholen, Verknüpfung mit Vorwissen) erhöhen Abrufwahrscheinlichkeit bzw. Transferfähigkeit.
- Mehrspeichermodell (Atkinson und Shiffrin, 1968)
serielle Schaltung von drei Speichern:
- Ultrakurzzeitspeicher (= sensorischer Speicher):
Zwischenspeicher für nahezu unbegrenzt viele Informationen für 0,1-10 Sekunden;
Weiterverarbeitung nur, falls Aufmerksamkeit zuteil wird.
- Kurzzeitspeicher (= Arbeitsgedächtnis; Flaschenhals)
Magical number seven (Miller, 1956): 7+/-2 Informationen (inter- und intraindividuell unterschiedlich) können unter Zugriff auf Vorwissen kategorisiert werden.
Wiederholung/aktive Verarbeitung
=> Erhöhung der Verweilzeit im Kurzzeitspeicher
=> Erhöhung der Wahrscheinlichkeit der Übertragung in den Langzeitspeicher
Interindividuelle Unterschiede sind vergleichsweise stabil.
- Personen mit hoher (Kurzzeit-)Speicherkapazität halten viele Informationen für kurze Zeit verfügbar.
- Personen mit hoher Verarbeitungs-/Arbeitsgedächtnis-Kapazität
- verarbeiten neue Informationen und ziehen Schlussfolgerungen,
- lenken ihre Aufmerksamkeit auf zielrelevante Informationen und
- lassen sich nicht von irrelevanten Informationen ablenken.
- Langzeitspeicher
unbegrenzte Kapazität und lebenslange Speicherung
("vergessene" Information ist noch vorhanden, jedoch der Zugriff darauf abhanden gekommen)
"Lernen" ist der Pfeil vom Arbeitsgedächtnis zum Langzeitspeicher (Organisieren, Stärken/Wiederholen), Elaborieren, Generieren).
Kritik: keine Aussage über Verarbeitungsprozesse, die innerhalb der Speicher beim Lernen ablaufen müssen.
- Modell der Verarbeitungstiefe (Craik und Lockhart, 1972)
Die Art der Informationsverarbeitung bestimmt die Verfügbarkeit von Informationen im Gedächtnis.
Levels of Processing:
- Oberste Ebene: keine Bedeutungsverarbeitung. Nur sensorische/physikalische Aspekte; sehr oberflächlich
- Unterste Ebene: Erkennen der Bedeutung (= Semantik) von Information
Herausfiltern der Bedeutung und Verankerung in bestehenden kognitiven Netzwerken unter Rückgriff auf Vorwissen (= Tiefenverarbeitung)
- Arbeitsgedächtnismodell (Baddeley et al., 1974) = weiterführendes Modell.
- Die zentrale Exekutive steuert die Informationsverarbeitung (ressourcenbegrenzt); Bedeutung steigt mit Komplexität der Aufgabe und bei fehlenden Routinen (prozedurales Wissen); Metakognitive Funktion:
- "Sie richtet die Aufmerksamkeit auf relevante Informationen,
- verteilt die Aufmerksamkeit, wenn mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt werden müssen,
- entscheidet, wann zwischen der Bearbeitung verschiedener Aufgaben gewechselt werden muss, und
- fungiert als Schnittstelle zum Langzeitgedächtnis, von wo sie z. B. Informationen abruft, die für die Verarbeitung neuer Informationen gebraucht werden."
- Phonologische Schleife und Visuell-räumlicher Notizblock konkurrieren nicht miteinander. Verbal-akustische Informationen konkurrieren daher nur mit anderen verbal-akustischen Informationen; ebenso visuell-räumliche Informationen.
- Der episodische Puffer fungiert als Brücke - episodische Informationen (= Ereignisse) verschiedener Modalitäten werden zwischengespeichert.
- Die phonologische Schleife ist gut erforscht:
- phonologischer Speicher (2 Sekunden), danach
- Artikulationsprozess (notwendig für längere Verfügbarkeit im Arbeitsgedächtnis)!
Für die Pädagogische Psychologie ist das Arbeitsgedächtnis von besonderer Bedeutung!
Herausforderung wegen begrenzter Kapazität, aber:
prinzipiell sind im Arbeitsgedächtnis ablaufende Prozesse bewusst, und somit für Instruktion und Erfassung besonders gut erreichbar!
Artelt & Wirth, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Welche Konsequenzen ergeben sich aus der kognitiven Architektur für das Lernen?
Kapazitätsbedingte Konsequenzen
- Konkurrenz um Ressourcen
Cognitive Load Theory (Sweller, 1994) und Kognitive Theorie des Lernens mit Multimedia (Mayer, 1997):
Bei komplexen Lernaufgaben müssen mehr Informationen gleichzeitig verarbeitet und im Kopf behalten (gespeichert) werden als das Arbeitsgedächtnis fassen kann. Die Konkurrenz um Ressourcen bedeutet, dass die zentrale Exekutive Kapazitäten entweder für die Verarbeitung oder für die Speicherung zur Verfügung stellen kann.
- Korrelationen mit Lernleistungen und -störungen
Stabile Relation zwischen Verarbeitung (=Arbeitsgedächtniskapazität) und diversen kognitiven Fähigkeiten wie Lese- und Sprachverständnis, mathematisch-räumliche Fähigkeiten; auch hohe Korrelation mit Ergebnissen von Tests des schlussfolgernden Denkens.
Kein systematischer Zusammenhang zwischen Speicherung (Kurzzeitspeicherkapazität) und komplexen kognitiven Leistungen.
Bei LRS Defizite ausschließlich in phonologischer Schleife,
bei Dyskalkulie Defizite im visuell-räumlichen Notizblock.
Prozessbedingte Konsequenzen
- Informationstransfer ins Langzeitgedächtnis (Optimierung der Speicherfunktion)
- Verweildauer im Arbeitsgedächtnis ist relevant (Atkinson & Shiffrin, 1968)
- Wiederholte Aufmerksamkeitszuweisung zur Information erhöht die Langzeitspeicherung (Baddeley & Hitch, 1974)
"repetitio est mater studiorum", wenn Informationen einfach nur behalten werden soll, ohne inhaltliche Weiterverarbeitung.
- Bedeutungshaltige Informationsverarbeitung und Verfügbarkeit von Informationen
- Eine bedeutungshaltige Informationsverarbeitung erhöht die Dauer der Verfügbarkeit (Craik & Lockhart, 1972): neue Informationen werden mit Vorwissen (Inhalt des Langzeitgedächtnisses) in Verbindung gebracht und dabei inhaltlich interpretiert (Zusammenspiel von Arbeits- und Langzeitgedächtnis).
- Beteiligung von Prozessen wie
- Bewerten der Relevanz von Informationen
- Bilden von Kategorien auf Basis von Generalisierungen
- Verknüpfen und Umstrukturieren von Informationen
- Schlussfolgern
Diese Prozesse stehen in engem Zusammenhang mit Intelligenz.
Veränderbarkeit von Gedächtniskomponenten
Training der Speicherfunktion (Effiziente Nutzung)
- Zusammenfassen von Einzelinformationen zu Chunks (Klumpen), stark abhängig vom Vorwissen!
- Gleichzeitige Nutzung der phonologischen Schleife und des visuell-räumlichen Notizblocks (z. B. Loci-Methode = Methode der Orte)
Training der Verarbeitungsfunktion
Üben von Lernstrategien, damit Prozeduralisierung und Automatisierung die zentrale Exekutive entlasten. Nach Klingberg (2010):
- Vermeidung expliziter Strategien
- Verwendung von ausschließlich Arbeitsgedächtnisaufgaben (Spannenmaßaufgaben, z. B.: neben zu merkenden Informationen müssen noch Entscheidungen gefällt werden)
- Langzeittraining erforderlich (mehrere Wochen mit bis zu 60 Min./Tag)
Solche Trainings korrelieren allerdings eher nicht mit anderen kognitiven Leistungsindikatoren wie schlussfolgerndem Denken.
Artelt & Wirth, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-16
Was ist Wissen? Welche Gedächtnisinhalte, Wissensarten, -merkmale und -formen lassen sich unterscheiden?
Lernen wird synonym mit Wissenserwerb verwendet.
Deklaratives (= konzeptuelles) Wissen: "Wissen, dass";
sowohl einzelne Fakten als auch komplexes Zusammenhangswissen;
kann verbalisiert werden.
Prozedurales Wissen: "Wissen, wie";
alltagssprachlich Können - Lösung von mathematisch-naturwissenschaftlicher Aufgaben oder Schreiben einer Erörterung.
ACT-R-Theorie (Anderson et al., 2004): prozedurales Wissen wird in Form von mentalen Wenn-Dann-Produktionsregeln kozeptualisiert und ist nicht verbalisierbar. Können in Form von Bedingungs-Aktions-Paaren heißt Produktionssystem.
Verbale Beschreibung eines Lösungweges wäre deklaratives Wissen,
Durchführen des Lösungsweges wäre prozedurales Wissen.
Deklaratives und prozedurales Wissen können sowohl domänenspezifisch/fachlich sein als auch strategisch/inhaltlich/betreffend Vorgehensweisen.
Metakognitives Wissen: "Wissen über Wissen";
auch: Wissen über Wissenserwerb, über den Sinn einer Lernstrategie, oder Planen eines eigenen Vorgehens.
(Bsp.: Durchführen einer Probe zur Überprüfung des Ergebnisses ist metakognitives Wissen.)
- Deklaratives Metawissen nach Flavell, 1979: Wissen über
- Personenmerkmale,
- Aufgaben und
- Strategien
- Prozedurales Metawissen:
- Planen des eigenen Vorgehens,
- Überwachen des eigenen Verständnisses bzw. der eigenen Problemlösungen und
- Remediales Regulieren (wenn etwas noch nicht verstanden wurde oder eigene Lösung wird als unzureichend angesehen)
- Epistemologische/epistemische Überzeugung:
Lernende sehen nur dann einen Sinn, sich mit komplexen Sachverhalten auseinander zu setzen, wenn sie nicht mehr an Absolutismus (einfaches/absolutes Wissen) glauben oder alles als willkürliche Meinung ansehen (Multiplismus, häufig im Jugendalter), sondern durch Evaluatismus geprägt sind (es gibt unterschiedliche Positionen mit unterschiedlich guten Begründungen)
Neben der Quantität des Wissens ist vor allem die Qualität des Wissens bedeutsam, hier besonders der Grad der Vernetzung (z. B. Schüler kann nicht nur Regel wiedergeben, sondern versteht auch, warum man sie anwendet).
Schemata fassen Erfahrungen in abstrahierter Weise zusammen. Es sind skelettartige Wissensstrukturen, die mit den Spezifika einer aktuellen Problemsituation angereichert werden bei "Konfrontation". Einen Sachverhalt in eine Schema einzuordnen ermöglicht dessen Verständnis und Reproduktion (Erinnern). Ferner können Vorhersagen und Problemlösungen erarbeitet werden.
Schemata können deklaratives und prozedurales Wissen beinhalten. Für effektives Problemlösen ist eine hierarchische, durch Schemate geordnete Wissensstruktur erforderlich.
Kompetenzen sind holistische (= mehrere Wissensarten umfassende) und auf die Funktionalität von Wissen bezogene Konzeptionen. Vielbeachtet durch PISA, aber es mangelt noch an einer umfassenden theoretischen und allgemein akzeptierten Konzeptualisierung des Kompetenzbegriffs.

Renkl, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-10-10
Welche theoretischen Perspektiven auf den Erwerb von Wissen lassen sich nach Renkl (2020) unterscheiden? Was sind ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede?
Perspektive des aktiven Tuns
Aktives Problemlösen und Diskurs sind besonders bedeutsam.
Drill-and-Practice-Lernprogramme (computerbasiert), richtige Lösungen werden bekräftigt, individuelle Anpassung ans Lerntempo.
Moderne Formen sind Konstruktivismus (Piaget) und Sozialkonstruktivismus (Vygotsky) [Manipulieren von Lerngegenständen, gemeinsames Problemlösen und aktive Diskursteilnahme]. Hier sind Aktivitäten immer an konkrete Situationen gebunden (Situiertheitsansatz). Dieser Ansatz wird durch die Idee des "trägen Wissens" begründet: Wissen, das in Prüfungen abrufbar ist, aber ein Transfer ist nicht möglich.
Diese Perspektive wird kritisch gesehen:
- Pauli & Lipowsky (2007): verbal aktive Schüler (=prototypisch aktives Lernverhalten) lernen nicht mehr als andere.
- Renkl (1997): Lernen durch Lehren (Paradebeispiel für aktives Lernen) versetzt die Lernenden in Stress und überfordert sie, wenn sie sich in einem Lernbereich noch in anfänglichen Lernstadien befinden.
"Es ist lernförderlicher, mehrere Lösungsbeispiele zu bearbeiten, statt bald (z. B. nach einem Beispiel) zum Bearbeiten von Aufgaben überzugehen. Dies gilt sogar dann, wenn das Lernen durch Aufgabenbearbeiten in "ausgefeilter" Weise unterstützt wird (z. B. Schwonke et al. 2009). Das scheinbar passive Studium von Lösungsbeispielen ist also die bessere Alternative. Zugleich zeigen Untersuchungen, dass die mentalen Lernaktivitäten beim Beispielstudium von ganz entscheidender Bedeutung für den Lernerfolg sind (Renkl, 2014)"
Perspektive der aktiven Informationsverarbeitung (derzeit dominant)
Aktive mentale Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand ist besonders bedeutsam.
Effektive lernrelevante Informationsverarbeitung wird im Arbeitsgedächtnis vollzogen! Aufgenommene Daten werden durch Verknüpfung mit Vorwissen aus Langzeitgedächtnis interpretiert und mit Bedeutung belegt (konstruktivistische Kernannahme).
Gedächtnisabruf und Interpretation sind eng miteinander verwoben. Durch Interpretation wird die Bildung von Chunks möglich => effizientere Nutzung der begrenzten Kapazität des Arbeitsgedächtnisses bei komplexem Stoff; dabei sind komplexe Schemata hilfreich.
Exkurs: Cognitive-Load-Theory
Extrinsic Load: Unnötige Belastung des Arbeitsgedächtnisses beeinträchtigt das Lernen (z. B. "Splitt-Attention"-Effekt; (Details einer) Abbildung kann nur schwer zugehörigen Textinhalten zugeordnet werden); (abh. von Gestaltung des Lernmaterials).
Intrinsic Load: Mehrere Aspekte müssen gleichzeitig beachtet werden bei komplexen Zusammenhängen (abh. von Komplexität des Inhalts).
Die Loads sind immer auch vom Vorwissen abhängig.
Die Kombination von hoher intrinsischer und extrinsischer Belastung kann zu einer kognitiven Überforderung ("overload") führen; Wissenserwerb ist dann beeinträchtigt oder unmöglich.
Germane Load: Lernbezogene Belastung, die aus Wissenskonstruktionsprozessen resultiert (mentale (Lern-)Aktivität)
Im Langzeitspeicher abgelegtes Wissen hinterlässt eine überdauernde, ggf. schwache Spur. Der Zugang dazu wird erleichtert, wenn das Wissen mit zahlreichen anderen Wissenselementen in Verbindung steht.
"Lernen bedeutet letzendlich, Informationen mit bereits vorhandenen Wissenelementen zu vernetzen (Elaboration). [...]
Lernen ist Andocken neuer Information an das Vorwissen!"
Prozesse des Wissenserwerbs, die im Arbeitsgedächtnis stattfinden:
- Interpretieren
Durch Interpretieren eingehender Daten entsteht Information. Für weitere Lern- und Problemlöseprozesse ist die Qualität der Interpretation einer Problemrepräsentation (Problemstellung) entscheidend. Für eine gute Interpretation erforderliches Vorwissen muss häufig absichtsvoll/strategisch von außen aktiviert werden, z. B. durch Lehrkraft.
Bsp.: Verständnis von Textaufgabe
- Zu verstehende und druch plausible Schlussfolgerungen zu ergänzende kurze Geschichte
- Übung, bei der Zahlen herausgesucht und eine naheliegende Rechenoperationen durchgeführt werden müssen.
- Selegieren
Aus zahlreichen einströmenden Reizen müssen die wichtigsten und zentralen herausgefilter werden
- Organisieren
Bewusstheit von (hierarchischen) Zusammenhängen,
z. B. Identifikation einer zentralen Textaussage, Anfertigen von Schaubildern
- Elaborieren
Integration von neuer Information in Vorwissen,
z. B. sich ein eigenes Beispiel überlegen, Analogien ziehen, etwas in eigene Worte fassen oder etwas kritisch vor dem Hintergrund des eigenen Vorwissens bewerten
- Stärken
Eine Stärkung von Gedächtnisinhalten (deklaratives Wissen) gelingt am besten durch ein Abruftraining (Testing-Effekt); dieses sollte mit Mühe verbunden, aber dennoch erfolgreich sein.
Wiederholung ist sowohl für deklaratives als auch prozedurales Wissen bedeutsam.
Durch Automatisierung werden weniger Aufmerksamkeitsressourcen in Anspruch genommen.
- Generieren
Beim Erkunden und Erforschen eines Gegenstandsbereichs sollen bereits Inferenzen (Schlussfolgerungen) gezogen und damit Wissen generiert werden. Ideal ist z. B. die Konstruktion abstrahiertere Wissensstrukturen, wenn etwa aus mehreren Beispieln zu einem bestimmten Problemtyp ein Schema eben dafür konstruiert wird.
- Metakognitives Planen, Überwachen und Regulieren
- Lernende planen ihr Vorgehen beim Lernen.
- Sie fragen sich selbst, ob sie den Stoff gut verstanden haben (Überwachen).
- Sie ergreifen Maßnahmen, um Verständnislücken oder Schwierigkeiten bei einer Problembearbeitung zu überwinden (remediales Regulieren).
Beachte: Prozesse des Wissenserwerbs sind nicht identisch mit Lernstrategien. Letztere können verschiedene Funktionen erfüllen.
Perspektive der fokussierenden Informationsverarbeitung
Aktive mentale Auseinandersetzung, die zentrale Konzepte (Begriffe) und Prinzipien (Gesetze/mathemat. Sätze) in einem Lernbereich fokussiert, ist besonders bedeutsam.
Der Erwerb auf korrekte Weise ist förderlicher als ein Erwerb, bei dem durch Leitfragen etc. auch fehlpriorisierte Konzepte erworben werden, oder aber bei dem verführerische Details störend verarbeitet werden.
Die Gestaltung von Lehr-Lern-Arrangements hängt stark von der zugrunde gelegten Perspektive ab. Renkl, 2020 plädiert für die zukünftige Verwendung der Perspektive der fokussierenden Informationsverarbeitung.
Allen Perspektiven gemeinsam ist die aktive Auseinandersetzung mit dem Lernstoff. Unterschieden wird, ob bloßes Handeln reicht oder eine mentale Verabeitung erforderlich ist. Ferner kann die Verarbeitung allgemeiner Art sein, oder fokussiert und auf korrekte Weise.
Renkl, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-17
Was kennzeichnet Wissenserwerb aus Texten, aus Beispielen und Modellen und aus der Bearbeitung von Aufgaben?
Lernen aus Text
Drei Ebenen der Repräsentation von Textinhalten:
- Textoberfläche
Sprachlichen Details, wörtliches Abbild. In der Regel nicht angestrebt.
- Textbasis
"Globale Kohärenzbildung geht nicht ohne lokale Kohärenzbildung."
Sammlung von Propositionen (= von konkreter Formulierung unabhängig zu denkende Aussagen im Rahmen eines ersten Leseverständnisses); lokale Kohärenzbildung (z. B. Zuordnung eines Pronomens zu Bezugswort) ist meist unproblematisch.
Anders bei globaler Kohärenzbildung, d. h. der sinnevollen Organisation einzelner Textaussagen zur Erlangung eines "roten Fadens". Diese gelingt Lernenden nicht immer, etwa wegen eines wenig leserfreundlichen Textes, geringer Motivation der Lernenden oder deren unzureichenden Vorwissen.
Für globale Kohärenzbildung ist die Konstruktion von Makropropositionen erforderlich, indem Einzelpropositionen verdichtet werden "durch
- Auslassung unwichtiger Propositionen,
- Verallgemeinerung von Einzelpropositionen auf einem höhren Abstraktionsgrad,
- Konstruktion einer neuen Propostion für eine Kette von Propositionen."
- Situationsmodell
Repräsentation eines Textes, die substanziell mit Vorwissen angereichert ist.
Sie beinhaltet ein Mehr an Information und Verständnis, erlaubt es aber auch, die Textinformationen zu nutzen, um Schlussfolgerungen für neue Kontexte zu ziehen und Probleme zu lösen. (Messung häufig durch Fähigkeit, ob gültige von ungültigen Schlussfolgerungen unterschieden werden können)
Sie unterliegt der geringsten Vergessensrate.
Deep Learning (= bedeutungshaltiges Lernen) ist erst nach Aufbau eines Situationsmodells erfolgt.
Die Qualität des Textlernens wird beeinflusst durch drei Aspekte:
- Qualitätsmerkmale des Textes
Einführungen, Länge und Einfachheit der Sätze, Hervorhebung zentraler Begriff oder Aussagen.
- Vorwissen der Lernenden
Je mehr, desto besser. (Höheres Vorwissen kann niedrigere Qualität des Textes kompensieren.)
- Mentaler Aktivität der Lernenden
Lernstrategien (Concept-Map, Selbsterklärung, Fragen zum Text formulieren)
Multiple Texte
Oft müssen verschiedene Texte zu einem Thema miteinander in Bezug gesetzt werden. Dies kann angemessen geschehen abhängig von
- der Anzahl der zu integrierenden Texte,
- deren inhaltlicher Überlappung,
- dem Alter der Schüler oder
- der den Lernenden gestellten übergeordneten Aufgabe fürs Lesen.
"Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein wirkliches Verstehen von Texten erfordert, dass die Lernenden aktiv den Text verarbeiten. Dies ermöglicht eine Repräsentation der Textinhalte auf der Ebene eines situationalen Modells. Erst dies erlaubt es, mit dem aus
dem Text Gelernten „etwas anzufangen“ (z. B. Schlussfolgerungen ziehen, Probleme lösen). Zudem kann das Erlernte dann längerfristig behalten werden. In vielen Situationen müssen Lernende multiple Texte integrieren, um ausreichend über einen Lerngegenstand informiert zu
sein."
Lernen aus Beispielen und Modellen (Beispielbasiertes Lernen)
Bearbeitung mehrerer Beispiele, um Verstehen herzustellen; anschließend werden Aufgaben "verstehensorientiert" selbständig bearbeitet.
Komplexe Beispiele werden als Modelle bezeichnet.
Lösungsbeispieleffekt (Worked-Example-Effect): beispielbasiertes Lernen ist sehr effektiv und effizient. Aufgaben werden erst dann bearbeitet, wenn bereits grundlegendes Verständnis der zugrunde liegenden Prinzipien und deren Anwendung erworben worden sind.
(Es wird auf das "Durchwurschteln", welches nach der Cognitive-Load-Theorie eine extrinisische Belastung darstellt, verzichtet.)
Bei der Präsentation der Beispiele ist darauf zu achten, dass die Effizienz nicht durch den Splitt-Attention-Effekt reduziert wird. Nutzung des Modalitätseffekts: Bild/Grafik und gesprochener Text führen zu besserem Wissenserwerb als Bild und geschriebener Text. Alternativ in Grafik integrierte Beschriftungen.
Vermeidung von oberflächlichlicher Bearbeitung durch Einfügen von Prompts (Leitfragen, Aufforderungen), mit denen sich die Lernenden die Logik der Beispiellösung bewusst machen (= Selbsterklärung/Self-Explanation-Effect; prinzipienbasierte Erklärung)
Der Worked-Example-Effekt beschränkt sich auf den anfänglichen Erwerb kognitiver Fähigkeiten. Zur Automatisierung ist die eigenständige Bearbeitung von Aufgaben erforderlich. "Um einen fließenden Übergang zum Aufgabenbearbeiten zu bewerkstelligen, haben Renkl und Atkinson (2003) folgendes Rational entwickelt, das sich inzwischen vielfach bewährt hat: Zunächst werden vollständige Beispiele präsentiert, in die dann allmählich immer mehr Lücken und damit Anforderungen der Aufgabenbearbeitung integriert werden – bis am Ende die Lernenden die Aufgaben komplett selbstständig lösen. Diese Ausblendprozedur ist besonders effektiv, wenn sie an den individuellen Lernfortschritt der einzelnen Lernenden angepasst wird (Kalyuga und Sweller 2004; Salden et al. 2009)."
Lernen aus Aufgabenbearbeitung
Positiv-Beispiele sind Cognitive Tutors (basierend auf auf ACT-Theorie) mit zwei Mechanismen: Model Tracing und Knowledge Tracing. Dabei werden Aufgaben unterstütz bearbeitet.
Model Tracing: Erstellung eines Systems von Produktionsregeln inklusive typischer Fehler. Somit können maßgeschneiderte Hilfen gegeben werden.
Knowledge Tracing: Wahrscheinlichkeitsschätzungen über das Verständnis des Lernenden => "Skill Bars" für Feedback zu aktuellem Wissensstand, ggf. zusätzliche Aufgaben bis zur Beherrschung (Mastery-Prinzip)
Cognitive Tutors sind keine Stand-Alone-Anwendungen, sondern müssen angemessen vorbereitet werden.
"Zusammenfassend kann man festhalten, dass Lernen durch unterstütztes Aufgabenbearbeiten eine effektive Methode sein kann, Verstehen und prozedurales Wissen zu fördern. Lernen durch Aufgabenbearbeiten ist sogar unabdingbar, wenn es um die Ziele der Stärkung und Automatisierung geht. Für die Feinabstimmung sollte die Übung in reflektierter Weise erfolgen."
Darüber hinaus ist jeweils das "assistance dilemma" zu lösen, d. h. auf der Dimension Informationsvorgabe vs. Informationszurückhaltung die richtige Mixtur zu finden.
"Unterricht und Instruktionsdesign haben also die Aufgabe, die lernrelevanten Prozesse zu trainieren und auszulösen, die von den Lernenden spontan nicht gezeigt werden (können). "
Renkl, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-10-10
Welche Effekte hat Übung auf Wissen und Wissenserwerb?
Üben
= Lernaktivitäten zur Stärkung, Automatisierung und Feinabstimmung
Übungseffekte sind zu Beginn sehr stark und werden dann immer schwächer mit dem Grenzwert einer Leistungsobergrenze (Potenzgesetz der Übung/Power Law of Practice); ggf. bilden sich aber Leistungsplateaus, die erst überwunden werden, wenn eine aktuelle Strategie zugunsten eines optimierten Vorgehens aufgegeben wird.
Effektives Üben erfordert
- Überlernen
Wird beim Erreichen des erwünschten Niveaus das Üben eingestellt, so fällt das Fertigkeitsniveau wieder ab. Zu langes Üben hat jedoch auch keinen substanziellen Effekt.
- Verteiltes Üben
Mehrere kleine Blöcke (jedoch nicht zu klein) sind effektiver als wenige große.
- Übung im Kontext des Ganzen
Es ist wichtig, dass Lernende ein Bild der Gesamtaufgabe bzw. des Gesamtvorgehens haben. Ggf. können einzelne Teilabläufe bei besonderer Schwierigkeit separat und damit gezielt geübt werden.
- Reflektiertes Üben (deliberate practice)
"Idealiter sollten Schüler zwar Algorithmen korrekt und schnell, d. h. ohne großes Nachdenken, ausführen, sich aber zugleich bei besonderen Fällen, bei denen das Vorgehen modifiziert werden muss, wieder die dahinter liegende Logik bewusst machen können. Insofern ist es sinnvoll, beim Einüben von Vorgehensweisen immer wieder auf die zugrunde liegenden Prinzipien einzugehen. " (vor allem zur Feinabstimmung)
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-16
Was kennzeichnet Lernen durch Erkunden?
(klassische Bezeichnung "entdeckendes Lernen", auch projektorientiertes/problembasiertes/erforschendes Lernen)
Zentrale Konzepte und Prinzipien sollen selbst generiert werden, damit
- "neues" Wissen gut in der Wissensbasis der Lernenden verankert ist und
- eigene Fehlvorstellungen und Defizite bewusst werden.
Die Vertreter des Ansatzes sind der Überzeugung, dass direktes Vermitteln (= rezeptives Lernen) in der Regel nur zu oberflächlichem Wissen führt.
Es gilt jedoch als unstrittig, dass unangeleitetes Erkunden ineffektiv ist. Strukturierung ist erfoderlich, ebenso Unterstützung, sodass sinnvolle Hypothesen aufgestellt und überprüft werden können.
Daher wird mittlerweile eher von "Lernen durch gelenktes Erkunden" gesprochen.
Renkl, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-17
Was kennzeichnet Lernen durch Gruppenarbeit?
(auch kooperatives/kollaboratives Lernen)
Bei Gruppenarbeit soll eine aktivere Verarbeitung des Lernstoffes induziert werden. Im Schulkontext stehen darüber hinaus soziale Aspekte im Vordergrund wie Stärkung des Selbstkonzepts, Integration von Minderheiten oder Erwerb sonstiger sozialer Fertigkeiten.
Gruppenarbeit ist dann effektiv, wenn eine lernzielangemessene Aufgabe vorgegeben ist, bei der die Gruppe einen echten Mehrwert hat (z. B. durch Einbringen unterschiedlicher Perspektiven).
- Neo-Piaget'sche Perspektive (sozio-kognitive Konflikte)
Sich widersprechende Sichtweisen induzieren neue Wissensstrukturen.
- Neo-Vygotsky'sche Perspektive
Zone der nächsthöheren Entwicklung kann eher durch Zusammenarbeit erreicht werden als alleine.
- Perspektive der kognitiven Elaboration und Metakognition
Gegenseitiges Erklären unter Organisation des Wissens und Identifikation von Verständnislücken und Inkonsistenzen.
- Perspektive des des argumentativen Lernens
Suche nach Evidenz und Gegenevidenz sowie darauf folgendes Ausdifferenzieren der eigenen Sichtweise.
Renkl, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-17
Welche Intelligenzmodelle lassen sich unterscheiden und welche Bedeutung hat Intelligenz für das Lernen und (schulische) Leistungen?
Die Perspektive der Intelligenzforschung bezieht sich in der Regel auf Differenzielle Psychologie und Psychologische Testdiagnostik. Es wird jedoch zunehmend die Berücksichtigung grundlagen-wissenschaftlicher kognitionspsychologischer Erkenntnisse gefordert.
Intelligenztests werden genutzt bei
- Schuleingangsdiagnostik,
- Schullaufbahnempfehlung (v. a. Förderbedarf),
- Diagnose von (Teil-)Leistungsstörungen,
- der weiteren pädagogisch-psychologischen Beratung
Sie können bei Problemstellungen Aussagen darüber machen, ob die Ursache in Intelligenz liegen könnte oder andere Erklärungen erforderlich sind.
Es handelt sich bei Intelligenz um eine sehr zentrale kognitive Variable im Lernprozess. Sie ist Voraussetzung für gelingende Lernprozesse, im Bereich der kristallinen Intelligenz (s. u.) aber auch deren Resultat.
Definition von Intelligenz (Gottfredson, 1997, p13)
| Intelligence is a very general mental capability that, among other things, involves the ability to |
Intelligenz ist eine sehr allgemeine geistige Fähigkeit, die unter anderem die Fähigkeiten zum |
| reason, |
schlussfolgernden Denken, |
| plan, |
Planen, |
| solve problems, |
Problemlösen, |
| think abstractly, |
abstrakten Denken, |
| comprehend complex ideas, |
Verstehen komplexer Ideen |
| learn quickly, and |
raschen Auffassen und |
| learn from experience. |
Lernen aus Erfahrung einschließt. |
Diese Definition repräsentiert v. a. die fluide Intelligenz (s. u.).
Spearman (Zwei-Faktoren-Theorie): jedes Messverfahren misst
- einen g-Faktor (gemeinsamen Faktor) und
- einen s-Faktor (spezifischen Faktor eines Menschen, sodass er in verscheidenen Aufgaben oder Bereichen unterschiedliche Leistungen erbringen).
Thurstone (Theorie primärer mentaler Faktoren): g ist die Folge, aber keine Ursache verschiedener primärer mentaler Fähigkeit. g wird wie folgt konstruiert:
- verbales Verständnis, Erfassen von Wortbedeutung
- Wortflüssigkeit, Leichtigkeit der Wortfindung
- schlussfolgerndes Denken und die Fähigkeit, Regeln aufzufinden
- räumliches Vorstellungsvermögen
- Merkfähigkeit, Kurzzeitgedächtnis
- Rechenfähigkeit
- Wahrnehmungs- und Auffassungsgeschwindigkeit
Cattell (Zwei-Faktoren-Theorie):
Fluide Intelligenz gf (entspricht Spearmans g):
- die Intelligenz, die die Fähigkeiten umfasst, Informationen zu verarbeiten, Beziehungen zu verstehen und logisch/schlussfolgernd zu denken, insbesondere unter neuen oder komplexen Umständen (analog Arbeitsgedächtnis)
- im Wesentlichen biologisch/genetisch bedingt
- keine inhaltlichen Vorkenntnisse erforderlich, um fluide Intelligenzleistung zu erbringen
- Messung durch abstrakte, sprachfreie Aufgaben
- relevant für schulische Leistungen in verschiedenen Fächern
Kristalline Intelligenz gc
- die Intelligenz, die sowohl das durch Erfahrung erworbene Wissen als auch die Fähigkeit zur Nutzung dieses Wissens umfasst (analog Langzeitgedächtnis)
- äußert sich in umfangreichem Allgemeinwissen oder hohen mathematischen Leistungen
- stark vom kulturellen Kontext und von Lerngelegenheiten geprägt
Kristalline Intelligenz ist das Produkt des Zusammenwirkens von fluider Intelligenz, Bildung und Kultur.
Die Definition nach Gottfredson hingegen versteht Intelligenz vorrangig als generelle, domänenübergreifende und relativ bildungsunabhängige kognitive Leistungsdispostion.
Die Debatte über angeborene oder erworbene Intelligenz ist unbeendet und kritisch zu betrachten.
Bei der Intelligenzmessung werden in den meisten Testverfahren ähnliche Aufgabentypen verwendet. Bei der Auswertung werden die Rohwerte/Leistungswerte in Standardnormwerte (IQ) umgerechnet. Der Intelligenzquotiene (IQ) ist dabei "kein absoluter Messwert der Intelligenz, sondern lediglich ein statistisch ermittelter Indikator für den Leistungsrangplatz eines Individuums innerhalb einer bestimmten Referenzpopulation."
IQ = 100 x erzielter Testwert/erwarteter Testwert
Mittlerer IQ = 100
Standardabweichung = 15
Überführung in Prozentrangwerte möglich wg. Normalverteilung des IQs in der Bevölkerung

[CHC-Modell]
Bedeutung der Intelligenz für das Lernen und die schulische Leistung
Hohe Korrelation zwischen IQ-Test und Indikatoren des schulischen Erfolgs (vor allem domänenübegreifend wie etwa Abi-Note)
Praktische Relevanz:
Aber: Es ist zu beachten, dass es sich um Wahrscheinlichkeitsaussagen handelt und keiner deterministische Aussagen. Hoher IQ garantiert keine individuellen Lernerfolge und umgekehrt, in spezifischen Bereichen sind andere Prädiktoren wie zum Beispiel das Vorwissen aussagekräftiger.
In Problemsituation ist die Messung des IQ zur Erstellung von Differenzial-Diagnosen und Auswahl von Therapien relevant.
Vorteile intelligenter Personen beim Lernen und Leisten:
- können sich schneller auf Aufgaben einstellen
- verfügen über effektivere Problemlösestrategien
- erkennen leichter lösungsrelevante Regeln
- verfügen über größere Verarbeitungskapazität
- verfügen über elaboriertere Lern- und Gedächtnisstrategien
Die einzelnen Punkte verstärken sich kumulativ.
Intelligenz als basale Lernvoraussetzung
Für viele schulische Anforderungen ist ein Mindesmaß an (fluider) Intelligenz notwendig. Neben dieser sind auch Vorwissen sowie weitere (nicht-kognitive) Lernvoraussetzungen wie Motivation oder Selbststeuerungsfähigkeiten erforderlich.
Höchstleistungen sind nur dann zu erwarten, wenn auch hohes Engagement und große Beharrlichkeit zur Zielverfolgung und Erweiterung der Expertise eingesetzt werden. Oberhalb eines gewissen Schwellenwertes sind letztere Faktoren sogar bestimmend.
Veränderbarkeit von Intelligenz
Der Einfluss soziokultureller Bedingungen auf die kognitive Entwicklung ist größer als von Piaget angenommen. Im Mittelpunkt der zentralen Informationsverarbeitung steht die Entwicklung des Gedächtnisses und des Lernens, aber auch die Zunahme an Wissen sowie Lern- und Gedächtnisstrategien.
Beschulung und Bildung wirken direkt und indirekt förderlich auf die Intelligenzentwicklung. Indirekte Effekte (Transfer auf allgemeine kognitive Kompetenzen) ergeben sich mit dem Aufbau von metakognitiver Kompetenz neben der Vermittlung inhaltsspezifischen Wissens
Artelt & Wirth, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-10-10
Welche Bedeutung hat Vorwissen für das Lernen?
Effekt des konzeptuell-semantischen Vorwissens
Das konzeptuell-semantische Vorwissen (Wissen über Fakten, Begriffe und Prinzipien) hat eine große Bedeutung für das Lernen. Die Ursache liegt in dem Prozess der Aktivierungsausbreitung und in der Vernetztheit der Knoten in semantischen Netzwerken.
Netzwerkmodelle semantischen Wissens bestehen aus Wissenselementen (Begriffe/Konzepte = Knoten) und deren Verbindungen (= Kanten). Die Kanten können verschiedener Art sein. Das (Vor-)Wissen von Menschen unterscheidet sich dabei in der Anzahl der Knoten, aber auch im Grad der Vernetztheit.

Jeder Knoten hat ein gewisses Aktivierungspotential.
Je größer die Aktivierung, desto wahrscheinlicher wird der Knoten aus dem Langzeitgedächtnis ins Arbeitsgedächtnis abgerufen.
Je häufiger Knoten gemeinsam aktiviert werden, desto stärker sind die Assoziationen (Kanten), welche wiederum die Weitergabe der Aktivierung zu einem weiteren Knoten befördern.
Die Annahmen werden durch den Priming-Effekt bestätigt. Beim Priming wird die Reaktionszeit bei der Verarbeitung eines Reizes verkürzt, wenn siesem Reiz ein anderer Reiz voranging, der mit ihm assoziiert ist.
Die Gedächtnisleistung von Experten (gut strukturiertes und umfangreiches Vorwissen) ist deutlich höher als die von Novizen (relative Anfänger in einem Bereich).
Vorwissen ist ein sehr guter Prädiktor von späteren Leistungsindikatoren bzw. von Wissenszuwächsen, besser sogar als allgemeine Fähigkeiten wie Intelligenz oder Problemlösefähigkeit. Die Bedeutung von Wissen als Prädiktor für Lernerfolge nimmt im Lauf des Lebens zu. Intelligenz ist in den frühen Phasen des Wissenserwerbs eine wichtige Voraussetzung für die Aneignung von Wissen. Mit dem Erwerb von Expertise ist jedoch das damit verbundene Wissen für weitere Leistungen wesentlich bedeutsamer. Der abnehmende Einfluss von Intelligenz auf Lernerfolge im Lauf der Grundschule konnte am Fach Mathematik gezeigt werden.
Experten zeichnen sich u. a. aus durch
- Schnelligkeit und Leichtigkeit der Informationsverarbeitung
- höhere Qualität des Weiterlernes
- andere Strategien zum Lösen von Problemen bzw. beim Lernen.
- mehr Chunks
Effekte des metakognitiven Wissens
Metakognitives Wissen steht in engem Zusammenhang mit verschiedenen Lern- und Leistungsindikatoren. Aber:
"Ein fundiertes Wissensrepertoire in Bezug auf Lern-, Gedächtnis- und auch Problemlösestrategien stellt eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Lernerfolg in konkreten Lernsituationen dar."
"Die zur Förderung von Lernstrategien entwickelten Programme arbeiten an der Vermittlung von Strategien allein oder aber in Kombination mit Selbstregulationsfähigkeiten und/oder Lernmotivation. Die meisten dieser Programme setzen an der Förderung von Lesekompetenz und Strategien der Textverarbeitung an. Insbesondere im Bereich Intervention bei Lernstörungen erweisen sich Programme als sinnvoll, die sich mit der Förderung von Strategien, exekutiver Kontrolle und metakognitiver Steuerung beschäftigen."
Artelt & Wirth, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Bildungspsychologie » Bildungspsychologie Grundlagen » Selbstregulation
Was ist selbstreguliertes Lernen?
Der Lernende kann seinen eigenen Lernprozess beeinflussen, indem er selbst entscheidet, ob, was, wann, wie und woraufhin er lernt (Weinert). Er verfügt dazu über einen Auswahl an geeigneten Strategien, deren Einsatz er gezielt beherrscht.
Lernen wird somit als kybernetischer Prozess verstanden. Darin wird der Ist-Zustand mit dem Soll-Zustand verglichen und ggf. eine Anpassung (Regulation) vorgenommen.

Brünken, Münzer und Spinath 2019
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-10-10
Welche Komponenten des selbstgesteuerten Lernens lassen sich unterscheiden?
Nach Brunstein und Spörer können drei Haupt-Komponenten selbstgesteuerten Lernens identifiziert werden:
- Kognitive Komponenten
Wissen über Lernstrategien und ihre effektive Anwendung
Unterscheidung nach präferiertem Umgang der Lernenden mit dem Material:
- Surface-level approach = reproducing orientation
- Deep-level approach = meaning orientation (Verbindungen zw. Material und Umwelt/Vorwissen wird geschaffen)
- Motivationale Komponenten
Motivierte Lernern sind eher in der Lage, den (kognitive Ressourcen kostenden) Lernprozess zu initiieren und gegenüber anderen interessanten Atkvitäten abzugrenzen und aufrechtzuerhalten (volitionale Kontrolle); umgekehrt wird die zukünftige Motivation durch die Bewertung des eigenen Lernprozesses und die Attribution von Erfolg bzw. Misserfolg beeinflusst.
- Metakognitive Komponenten
Planung, Überwachung und Steuerung des Lernprozesses. Dazu sind Feedbackschleifen hilfreich. Ferner ist das Wissen über die eigenen Fähigkeiten und über das eigene Lernverhalten relevant.
Brünken, Münzer und Spinath 2019
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-18
Welche Modelle der Selbstregulation lassen sich unterscheiden? Was sind ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede?
Unterscheidung in der Regel in
- Strukturmodelle (Komponentenmodelle) - das "Was" der Regulation
- Prozessmodelle - das "Wie" der Regulation
Beide Typen ergänzen sich.
Strukturmodell von Monique Boekaerts: das Drei-Schichten-Modell
Grundannahme: Lernen als Prozess der Informationsverarbeitung
Zu Klassifikationszwecken sehr gut geeignet.
- Dritte Ebene (Außen): Regulation des Selbst
Auswahl und Bewertung von Zielen und Ressourcen
Mikroziele (Verstehen einzelner Lerninhalte) und
Makroziele (Ausbildungs-, Bildungs- und Lebensziele)
- Zweite Ebene (Mitte): Regulation des Lernprozesses (insgesamt)
Einsatz metakognitiver Strategien & Kompetenzen
Sind genügend Ressourcen vorhanden? Wurden Lernstrategien richtig und effizient eingesetzt? Wurde Lernziel erreicht?
- Erste Ebene (Innen): Regulations des Verarbeitungsmodus
Prozess der Informationsverarbeitung selbst
Prozesse und (Lern-)Strategien wie Informationsauswahl, -organisation, -integration, Aktivierung von Vorwissen

Prozessmodelle
Zimmermann: Selbstregulation = "alle geplanten sebsterzeugten Gedanken, Gefühle und Handlungen, die über zyklische Anpassungsprozesse auf die Erreichung persönlicher Ziele ausgerichtet sind". Die Rückmeldung über den Lernerfolg bzw. den Lernprozess wird zur Anpassung des zukünftigen Vorgehens genutzt.

Schmitz differenziert das Modell von Zimmerman aus. Sein Modell ist besonder im deutschsprachigen Raum weit verbreitet und wird gerne zu Trainingszwecken genutzt.

- Präaktionale Phase (Planungsphase)
- Analyse der Aufgabe
- Sinnvolle Ziele
- konkret,
- die Erreichung in naher Zukunft möglich,
- der Schwierigkeits grad eine Überprüfung der eigenen Fähigkeiten ermöglichen (nicht zu schwer und nicht zu leicht)
(Motivation beeinflusst wahrgenommene Schwierigkeit)
- Prüfung der Relevanz
- Planung der einzusetzenden Lernstrategien
- Aktionale Phase (Phase der Handlungs- bzw. Willensbezogenen Kontrolle)
- Einsatz der Strategien
- Permanente Überwachung der Lernhandlung
- Beobachten und Kntrolle der eigenen Handlung und der Zielerreichung
- Aufrechterhaltung des Lernprozesses und Abschirmung gegenüber konkurrierenden Handlungstendenzen (volitionale Kontrolle)
- Postaktionale Phase (Selbstreflexionsphase)
- Bewertung und Ursachenzuschreibung hinsichtlich der Zielerreichung
Das ist umso einfacher, je konkreter die Ziele formuliert waren.
- Schaffen von Motivation durch Attributionsprozessen; bei Misserfolg nicht auf mangelnde Fähigkeit sondern auf falsche Strategie abstellen!
EPOS-Modell (Essener prozess-orientiertes Selbstregulationsmodell, nach Elzen-Rump & Leutner)
Lernen ist ein quasi-algorithmischer Prozess der Informationsverarbeitung, dessen Einzelschritte unterstützt und somit effizienter werden können. Der Lerner kann zu seinem eigenen Lehrer werden.
Im Zentrum des EPOS-MOdells steht die Mikroregulation des Strategieeinsatzes während der konkreten Lernhandlung. Bei hochwertigem Einsatz reichen unter Umständen wenige bis nur eine einzelne Lernstrategie aus.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede:
Geimeinsam ist allen Modellen die Annahme von Lernen als Informationsprogramm.
Das Strukturmodell ist ein eher hierarchisches Modell, in dem das "Was" der Regulation behandelt wird. Alle Schichten können gleichzeitig passieren.
Die Phasenmodelle beschreiben zyklisch-periodisch drei Phasen der Selbstregulation, die eher zeitlich gegliedert sind.
Das EPOS-Modell bewegt sich auf der Mikroebene und beschreibt die Mikroregulation während einer konkreten Handlung durch quasi-algorithmische Schritte.
Brünken, Münzer und Spinath 2019
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-10-10
Was sind Lernstrategien und welche Arten lassen sich unterscheiden?
Definition von Lernstrategien nach Pressley:
"Zielgerichtete, potentiell bewusste und kontrollierbare Prozesse."
Potentiell bewusst meint, zu Beginn bewusst einzuüben, aber mit zunehmender Automatisierung unbewusste Anwendung.
Ergänzung von Klauer:
"Pläne für eine Handlungssequenz, die auf die Erreichung eines Lernziels ausgerichtet sind."
Systematisierung von Friedrich und Mandl
(ohne Absolutheitsanspruch, da Strategien häufig multifunktional sind)
- Kognitive Lernstrategien
- Verarbeitung von Informationen
- Informationsaufnahme
- Verarbeitung
- Speicherung
- Abruf
- Transfer etc.
- Metakognitive Lernstrategien zur Steuerung und Kontrolle des Lernprozesses, werden eingesetzt zur
- Planung („Wie gehe ich am besten vor?“)
- Überwachung („Habe ich das wirklich verstanden?“)
- Bewertung („Das habe ich noch nicht richtig gelöst“) und Steuerung („Da muss ich jemanden fragen“) des Lernprozesses.
- Wiederholungsstrategien
Aufrechterhaltung einer Information im Arbeitsgedächtnis und der
Überführung ins Langzeitgedächtnis
- Elaborationsstrategien
neue Informationen in bestehende Wissensstrukturen integrieren
- Fragen stellen
- Analogien herstellen
- Visualisierungen
- Notizen machen
- Vorwissen aktivieren
- Organisationsstrategien
Informationen in eine sinnvolle Struktur bringen zur tieferen Verarbeitung und dem dauerhaften Behalten von Informationen
- Zusammenfassungen von Texten erstellen
- Überschriften bilden
- Mind Maps erstellen
- Strategien zur Wissensnutzung,
sollen hauptsächlich eingesetzt werden, wenn Inhalte auch in anderen Bereichen eingesetzt und genutzt werden sollen (Transfer)
- Motivations- und Emotionsstrategien
Aktivierung und Aufrechterhaltung der Motivation zum Lernen
Sie beeinflussen den Lernprozess dabei indirekt z. B. durch das aufgewendete Maß an Anstrengung und Ausdauer oder die Auswahl der Aufgaben und der Lernstrategien.
Emotionale Lernprobleme, wie z. B. Prüfungsangst, können z. B. durch das Herbeiführen eines entspannten Zustandes oder der positiven Uminterpretation der Situation als kontrollierbar beeinfluss werden.
Beispiele für Motivations- und Emotionsstrategien:
- Anreize setzen
- Realistische Zielsetzung
- Persönlichen Bezug zum Lerngegenstand herstellen
- Strategien für das kooperative Lernen
z. B. Koopertionsskripts für interaktive Lernformen oder "Academic Help Seeking". Voraussetzung ist, dass der soziale Austausch adäquant gestaltet wird.
- Strategien zur Ressourcennutzung
Strategien zur Gestaltung von Lernsituationen können insbesondere zur Aufrechterhaltung des Lernprozesses förderlich sein (volitionale Strategien), z. B. durch Bewusstmachen typischer Ablenkung und deren Elimination, Abwechslung schaffen usw.
- Arbeitszeit effektiv planen und einteilen
- die Lernsituation oder den Arbeitsplatz angenehm und lernförderlich gestalten
- externe Wissensspeicher sinnvoll organisieren und strukturieren
Brünken, Münzer und Spinath 2019
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-19
Wie lässt sich der Lernstrategie-Einsatz erfassen?
Die Messung kann durch Selbstbeurteilung oder Fremdbeurteilung erfolgen, Selbstbeurteilung überwiegt national und international. Üblicherweise Nutzung von Fragebögen wie
- Kieler LernStrategie-Inventar (KSI)
- Inventar zur Erfassung von Lernstrategien im Studium (LIST)
- Learning and Study Strategies Inventory (LASSI)
- Motivated Strategies for Learning Questionnaire (MSLQ)
Lernstrategiefragenbögen bergen allerdings eine gewisse methodische Problematik hinsichtlich
- Retrospektivität
- Inhaltsunabhängigkeit
- Bewusstheit und Reaktivität
- Quantifizierung
Alternative Messverfahren können sein: Interviews, Lautes Danken und Lerntagebücher.
Brünken, Münzer und Spinath 2019
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-19
Was weiß man über die Effektivität von Selbstregulationstrainings?
Selbstregulationsfähigkeiten werden zu Schlüsselkompetenzen, wenn schulische Bildungsprozesse, in denen die Vermittlung zentraler Kompetenzen von Lehrpersonen initiiert, überwacht und bewertet werden, abgeschlossen sind - sind also im Erwachsenenalter von besonder er Bedeutung.
Sie sind trainierbar. Besonders effektiv erweisen sich
- Wiederholen (als kognitive Strategie)
- Erkennen des Aufgabenwertes (als motivationaler Aspekt)
- Schreiben (als Fachinhalt)

Brünken, Münzer und Spinath 2019
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Wie entwickelt sich der Strategieerwerb?
Vier Stufen des Strategieerwerbs nach Flavel und später Hasselhorn
- Mediationsdefizit
keinerlei Strategiegebrauch erkennbar, auch dann nicht, wenn dieser von einem kompetenten und vertrauten Modell vorgeführt wird. Vermutlich fehlt es den Kindern noch an den kognitiven Voraussetzungen (den Mediatoren) zur Strategieausführung fehlt.Typischerweise eher bei jungen Kindern.
- Produktionsdefizit
Prinzipiell sind die Lernenden in der Lage, eine Strategie auszuführen, zeigen sie aber nicht spontan. Nach Anleitung wird sie umgesetzt, jedoch nicht längerfristig beibehalten.
- Nutzungsineffizienz
Selbständige und spontane Anwendung einer Strategie, ohne dass diese zu einer Leistungsverbessung führt, ggf. sogar die Leistung sinkt. Zwischenstadium (mathematantischer Effekt), erklärbar durch Cognitive Load Theaory. Wird reduziert durch zunehmende Automatisierung.
- Kompetenter Strategiegebrauch
Der Lernende ist nicht nur dazu in der Lage, eine Lernstrategie kompetent einzusetzen, sondern verfügt auch über entsprechende metakognitive Kompetenzen zur Einzuschätzung, wann und unter welchen
Bedingungen der Einsatz einer bestimmten Strategie zielführend ist.
Brünken, Münzer und Spinath 2019
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-19
Bildungspsychologie » Bildungspsychologie Grundlagen » Motivation und Emotionen
Was versteht man unter Motivation in Lern- und Leistungssituationen und welche Folgen hat sie für das Handeln?
Alltäglich und wissenschaftlich bezieht sich Motivation auf die Frage nach dem "Warum" eines Verhaltens: die "aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustands" (Rheinberg, 2008).
Betrachtung als
- Stait = konkret stuationsspeziefisches Verhalten (im engeren Sinn)
- Trait = generelle Handlungsbereitschaft oder motivationale Persönlichkeitsmerkmale
Lernmotivation (Definition)
"bezeichnet die Bereitschaft eines Lernenden,
sich aktiv, dauerhaft und wirkungsvoll mit
bestimmten Themengebieten auseinanderzusetzen,
um neues Wissen zu erwerben bzw. das eigene Fähigkeitsniveau zu verbessern."
(Erklärung des Zustandekommens und der Effekte des intentionalen Lernens)
Leistungsmotivation (Definition)
"bezieht sich nach Heckhausen auf
das Bestreben, die eigene Tüchtigkeit in all jenen Tätigkeiten zu steigern oder möglichst hoch zu halten,
in denen man einen Gütemaßstab für verbindlich hält und
deren Ausführung deshalb gelingen oder misslingen kann."
(Kriterium erfolgreichen Lernens / die Bewertung spielt eine wichtige Rolle)
Intrinsische Motivation bedeutet, die Handlung selbst ist hinreichender Tätgkeitsanreiz (bereitet Freude und Befriedigung).
Extrinsische Motivation sucht den Anreiz im Ergebnis (z. B. Noten) oder der Reaktion/Ereignisse auf die Handlung, die erzielt bzw. verhindert werden können (z. B. negative Sanktionen durch Eltern). Die Handlung hat hier eine instrumentelle Funktion.
Das Handlungsmodell

Zentral ist Nr. 3, die aktuell wirksame Motivation, die durch Person und Umwelt direkt geschaffen wird. Eng verknüpft damit sind die Prozesse während der (Lern-)Handlung. Dabei ist die bewusst oder weniger bewusst wahrgenommene Handlungssteuerung sehr bedeutsam. Unmittelbare Effekte können Lernen und Leisten sein, aber auch Emotionen wie Freude oder Langeweile/Frustration.
Unterscheidung Motivation/Motiv:
Motivation = Prozessmerkmal
Motiv = dispostionales Motivationskonstrukt
Krapp, Greyer und Lewalter, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Was versteht man unter Emotionen in Lern- und Leistungssituationen und welche Merkmale weisen sie auf?
Emotion (Definition)
Gefühlsregungen, die relativ konkret bestimmbar sind und
sich meist auf einen Auslöser zurückführen lassen.
Qualtität des psychischen Erlebens; von etwas berührt sein; Emotionen kann man spüren.
Sie liefern Informationen über die Qualität der aktuellen Person-Umwelt-Interaktion und initiieren ggf. Neuorientierungen.
Abgrenzung von "Stimmung" (= weniger intensiv erlebt) und "Wohlbefinden" (= länger anhaltender Zustand)
Merkmale von Emotion (Mehrkomponentenmodell , z. B. Izard)

Motivation und Emotion hängen eng miteinander zusammen und beeinflussen sich wechselseitig.
- State-Emotion - aktuelle Ausprägung und Wirkungsweise
- Trait-Emotion:- Merkmalsbereich zur Beschreibung interindividueller Unterschiede
Krapp, Greyer und Lewalter, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Welche beiden theoretischen Zugänge zu Motivation und Emotion unterscheidet man?
- Tradition kognitiv-handlungsthoretischer Motivationsforschung
v. a. Beschreibung und Erklärung motivationaler Bedingungen des Lernerfolgs und der schulischen Leistung
- Erwartungs-Wert-Paradigma (Heckhausen)
- Erwartungs-Wert-Modell der Leistungsmotivation (Heckhausen)
- Modell der leistungsbezogenen Aufgabenwahl (Eccles)
- Zweidimensionales Klassifikationsmodell der Zielorientierung (Elliot)
- Basis einer dynamischen Persönlichkeitskonzeption
z. B. besondere Bedeutung der Lerninhalte; Gegenstandsbereich der Motivation für Selbstkonzept/Identitätswahrnehmung; auf Selbstbestimmung beruhende Motivation, die als entscheidende Grundlage lebenslangen Lernens aufgefasst werden kann.
- Selbstbestimmungstheorie (SDT, Deci & Ryan)
- Pädagogisch-psychologische Interessentheorie (PIT)
- (Emotionstheoretische Ansätze)
- Leistungsemotionen
- Flow-Erleben

Krapp, Greyer und Lewalter, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Was kennzeichnet das handlungstheoretische Modell der Motivation von Heckhausen?
"klassisches" Erwartungs-Wert-Modell der Leistungsmotivationsforschung
- E = Erwartungskomponente = subjektive Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit des Handelns
- W = Wertkomponente = erwarteter Nutzen der Handlungsergebnisse
- M = E x W Motivation
Der Nutzen des Handlungsergebnisses spielt zentrale Rolle für die Intesität der motivationalen Dynamik.

Krapp, Greyer und Lewalter, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Was kennzeichnet das Erwartungs-Wert-Modell von Eccles?
Es handelt sich um das Modell der leistungsbezogenen Aufgabenwahl.
Mit ihm werden u. a. individuelle bildungsrelevante Entscheidungen beschrieben und erklärt.
In Abgrenzung zum klassischen Erwartungs-Wert-Modell werden die aktuellen Interessen einer Person und die Art und Weise deren Erleben einer Situation berücksichtigt.
Erfolgserwartungen und subjektiver Wert einer Aufgabe werden als besonders relevant für die Vorhersage leistungsbezogener Wahlen und Performanz gesehen.

Krapp, Greyer und Lewalter, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Was versteht man unter Kausalattribution?
Kausalattribution = Attribution =subjektive Erklärung oder Ursachenzuschreibung für einen Sachverhalt oder ein Ereignis.
Pädagogisch-psychologische Theorien beschäftigen sich mit Ursachen für Erfolg/Misserfolg, die ausgelösten Emotionen durch diese Zuschreibung und die Auswirkungen auf das Lernverhalten.

mit Beispielen aus der Schule.
Krapp, Greyer und Lewalter, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-21
Welche dispositionalen Konzepte der Leistungsmotivation lassen sich unterscheiden und was kennzeichnet sie?
Dispositionale Konzepte der Leistungsmotivation dienen der Bestimmung interindividueller Unterschiede der Lern- und Leistungsmotivation.
- Leistungsmotiv
"Hoffnung auf Erfolg vs. Furcht vor Misserfolg"; beides kann zu hoher Anstrengung und intensive Auseinandersetzung mit dem Lernstoff führen.
Spezifizierungen der Erwartungskomponente des Erwartungs-Wert-Modell:
- Fähigkeitsselbstkonzept (auch Begabungsselbstkonzept)
spielt im Entstehungsprozess der Motivation eine wichtige Rolle!!!
Def. Selbstkonzept: enthält die auf die eigene Person bezogenen Informationen und kann als mentales Modell der Person von sich selbst beschrieben werden. Neben den Einschätzungen eigener Kompetenzen und Schwächen stellen auch stabile Vorlieben und Abneigungen (z.B. persönliche Interessen) wichtige Komponenten des Selbstkonzepts einer Person dar.
Das Fähigkeitsselbstkonzept ist die kognitive Repräsentation der eigenen Fähigkeiten. Sie bildet sich auf Basis kritischer Beurteilungen der eigenen Leistungen im Vergleich zu den Leistungen anderer (= interindividuelle Bezugsnorm)
- Selbstwirksamkeitserwartung (Bandura)
Motivation entsteht aus der Kombination Ergebniserwartung (Nutzen!) und der subjektiven Wirksamkeitserwartung (= subjektiver Überzeugung, eine Handlung erfolgreich realisieren zu können)
Über das Fähigkeitsselbstkonzept hinaus wirken auch Faktoren wie Schwierigkeitsniveau einer Lernaufgabe oder die persönliche Einstellung gegenüber deren Inhalten auf die Lernmotivation.
Spezifizierung der Wertkomponente des Erwartungs-Wert-Modells
- Zielorientierung (Nicholls/Dweck)
Personen mit einer Lernziel- oder Aufgabenorientierung nehmen Lern- und Leistungssituationen als eine Gelegenheit wahr, ihre eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten weiterzuentwickeln.
(subjektive Vorstellung über die Veränderbarkeit der eigenen individuellen Fähigkeiten. Der Erfolg der Bemühungen wird primär am eigenen Lernfortschritt gemessen.)
Personen mit einer Leistungsziel- oder Ich-Orientierung sind primär bestrebt, ihre Leistungsfähigkeit öffentlich zu demonstrieren und/oder andere zu übertrumpfen.
(Der Erfolg wird in hoher/akzeptabler Leistung gemessen. V. A. schwache Schüler mit einem niedrigen Fähigkeitsselbstkonzept sind ängstlich bemüht, Leistungsdefizite zu verbergen)
- Erweiterung der Lernziel/Leistungszielorientierung um eine 2. Dimension (Elliot)
- Annäherungsziel (positiv-aufsuchend/erfolgszuversichtlich)
- Vermeidungsziel (negativ-vermeidend/misserfolgsängstlich)
Krapp, Greyer und Lewalter, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-21
Was kennzeichnet die Selbstbestimmungstheorie?
Self-Determination-Theory SDT (Deci & Ryan)
Die dispositionale Komponenten der menschlichen Motivation sind wichtiger Bestandteil der individuellen Persönlichkeitsorganisation/der Struktur des individuellen Selbst.
"Je tiefgründiger ein Handlungsziel im individuellen Selbst verankert ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die damit verbundenen Handlungen als selbstbestimmt und in diesem Sinn als intrinsisch wahrgenommen werden."
Formen fremd- und selbstbestimmter Motivation

- Externale Regulation - ausschließlich von Kontingenzen (externe Handlungsfolgen) gesteuert; charakteristisches Kennzeichen dieses Motivationstyps ist mangelnde Ausdauer (Persistenz).
- Introjizierte Regulation - Handlungsziel wird als notwendig anerkannt, ist aber noch nicht zu eigen gemacht (Bsp.: Schüler, der nur die Erwartungen der Eltern erfüllen will mit guten Noten)
- Identifizierte Regulation - Lernziel wird persönlich für wichtig erachtet und vorübergehend oder dauerhaft in individuelles Selbstsystem integriert
- Integrierte Regulation - ehemals externale Ziele sind in Gesamtsystem persönlicher Motive harmonisch eingebunden. (Kann immer nur annäherungsweise erreicht werden)
Grundegende psychologisches Bedürfnisse (Basic needs)
Neben biologischen Antriebsfaktoren (Hunger, Durst, Wärmeregulation) gibt es auch ein angeborenes emotionsbasiertes Steuerungssystem des EuV. Dieses wirkt unterbewusst und im Rahmen eines automatisiert ablaufenden psychischen Rückmeldesystems; das Feedback wird seinerseits ohne kognitiv-reflexive Kontrolle verarbeite, hat aber dierekten Einfluss auf das aktuelle Zuwendungs- oder Vermeidungsverhalten.
Diese Theorie ist vor allem wichtig in Lernumgebungen, die explizit das Ziel verfolgen, eine auf Interesse und Selbstbestimmung beruhende Lernbereitschaft zu fördern.
- Kompetenzerleben:
- sich selbst als wirksam erleben,
- gegebene Anforderung aus eigener Kraft bewältigen können,
- das Gefühl haben, noch fehlenden Kompetenzen erwerben zu können.
- Autonomie (Selbstbestimmung)
- Individuum möchte Ziele und Vorgehensweisen des eigenen Tuns selbst bestimmen
- Person möchte dann und so autonom handeln, wie sie davon überzeugt ist, ein Ziel alleine erreichen zu können
- Soziale Eingebundenheit
- in sozialer Umgebung akzeptiert und anerkannt zu sein.
Krapp, Greyer und Lewalter, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Was kennzeichnet die Pädagogisch-psychologische Interessentheorie (PIT)? Wie entsteht ihr zufolge Interesse?
Wie entsteht Lernmotivation im Sinne von gegenstangsspezifischen Interessen und welchen Einfluss haben diese auf das Lernen und die individuelle Entwicklung? Als Rahmen ist der Austausch zwischen einer Person und ihrer sozialen und gegenständlichen Umwelt gesetzt.
Definition:
Das Interesse bezeichnet eine herausgehobene Beziehung einer Person zu einem Gegenstand, die durch
eine hohe subjektive Wertschätzung für den Gegenstand (wertbezogene Valenz) und
eine insgesamt positive Bewertung der emotionalen Erfahrungen während der Interessenhandlung (emotionale Valenz)
gekennzeichnet ist.
Interesse hat eine hohe intrinsische Qualität, weil es eng mit dem individuellen Selbst verbunden ist.
Bea.: wer sich für eine Sache interessiert, möchte mehr darüber erfahren, sich kundig machen, sein Wissen erweitern. (epistemische Orientierung)
Als Interessengegenstand kann alles herangezogen werden. Er ist immer kognitiv repräsentiert.
Interessengenese (v. a. in Schule)
- situationales Interesse SI (aus Anreizbedingung der aktuellen Lernsituation [ggf. didaktisch aufbereitet] und aus Attraktivität des Lern-Gegenstands),
- Catch-Facette = neu gewecktes SI, und zwar durch positive Emotionen (z. B. Spaß) und (rel. kurzzeitige) Fokussierung der Aufmerksamkeit
- Hold-Facette = Wertzuschreibung ggü. Interessensgegenstand und epistemische Orienterierung der Interessenhandlung; in Schule häufigster Fall!)
- individuelles Interesse (motivationale Disposition, stabiles Persönlichkeitsmerkmal, Aktualisierung bei entsprechender Anregung)

"Es wird postuliert, dass ein Interesse nur dann entsteht und aufrechterhalten wird, wenn eine Person die entsprechenden Inhalte und Tätigkeiten auf der Basis kognitiv-rationaler Überlegungen als hinreichend bedeutsam einschätzt und wenn sich für sie im Verlauf gegenstandsbezogener Auseinandersetzungen eine insgesamt positive Bilanz emotionaler Erlebensqualitäten im Sinne der oben erwähnten grundlegenden psychologischen Bedürfnisse (Basic Needs) ergibt."
Krapp, Greyer und Lewalter, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Wie lassen sich Leistungsemotionen kategorisieren und wie entstehen sie?
Taxonomische (kriterienbasierte) Klassifikation

Entstehung von Leistungemotionen (aus Appraisal-/Bewertungs-Theorien)
Lazarus - Appraisal-Theorie
Pekrun - Kontroll-Wert-Theorie
- persönliche Bedeutsamkeit oder Wertüberzeugung bzgl. der Aktivitäten und Ergebnisse [Wert-Appraisal]
-> Hohe Werte verstärken die Intensität positiver oder negativer Emotionen.
- subjektive Kontrollierbarkeit der für eine erfolgreiche Aufgabenbewältigung erforderlichen Bedingungen (persönliche und soziale Ressourcen, Verhaltensoptionen) [Kontroll-Appraisal]
-> bestimmt die Art der angeregten Emotion und die Erlebensqualität
Krapp, Greyer und Lewalter, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Was versteht man unter Flow?
Merkmale von Flow (Rheinberg)
- Anforderung und Fähigkeit passen optimal zueinander.
- Handlungsanforderungen und Rückmeldungen sind klar und bedürfen keiner Interpretation (»man weiß, was zu tun ist«).
- Der Handlungsablauf wird als glatt und fließend erlebt.
- Die Konzentration auf die Tätigkeit ist anstrengungsfrei und erfordert keine bewusste Willensanstrengung.
- Das Zeitgefühl ist reduziert (»Stunden vergehen wie Minuten«).
- Selbst und Tätigkeit verschmelzen miteinander; (Selbst-)Reflexivität und Selbstbewusstheit treten
in den Hintergrund.
Handel in völliger Übereinstimmung mit den Zielen des individuellen Selbst.(enge Querbezüge zur intrinsischen Motivation). Nach Csiksentmihalyi ist Flow-Erleben wichtiger Anreiz für Lernen, da sonst ohne Weiterentwicklung des aktuellen Kompetenzniveaus Langeweile entsteht. (eigene Anmerkung: relevant bei Hochbegabung)
Krapp, Greyer und Lewalter, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-23
Welche Bedeutung kommt der Motivation für das Lernen und Leisten zu?
Entgegen allgemeiner Annahmen können Leistungsunterschiede nur sehr begrenzt mit motivationalen Faktoren erklärt werden. Aber: "Ohne Motivation finden keine intentionalen Lernprozesse und damit auch kein Lernfortschritt statt!"
Hohe Leistungsmotivation wirkt sich auf die Qualität des Lernens aus (Ausdauer, Anstrengungsbereitschaft oder Auswahl anspruchsvoller Aufgabenstellungen ), hängt aber auch von der Art der Aufgabe ab.
Leistung wird habituell als Herausforderung oder Bedrohung interpretiert, je nach individuellem Anspruchsniveau und bevorzugten Kausalattributionen. Gerade letztere haben eine große Tragweite für künftiges Lernverhalten (Generalisierungstendenz der Psyche) und die Stabilisierung eines fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepts.

Effekte von Selbstwirksamkeitserwartungen
- bestimmen u. a. die Bereitschaft, sich mit anspruchsvollen Lernaufgaben zu befassen
- haben nachhalten positiven Einfluss auf
- Anstrengungsbereitschaft,
- Durchhaltevermögen (Persistenz bei Aufgabenbearbeitung - auch bei Rückschlägen),
- den Einsatz tiefenorientierter Lernstrategien und
- die Art der Selbstregulation
Effekte von Zielorientierungen
nicht eindeutig feststellbar. Es gibt sowohl Belege für positive als auch negative Effekte von Lernziel- oder Aufgabenorientierung.
Effekte einer auf Selbstbestimmung und Interesse beruhenden Lernmotivation
Sie liefert optimale Voraussetzungen in schulischen/akademischen Lernsituationen, wenn das Ziel darin besteht, tiefgründig verankertes und somit relativ dauerhaft gespeichertes Wissen zu erwerben.
Aus der Forschung:
Wenn in Lehrbuchtexten interessante, aber thematisch nebensächliche Details (seductive details) gelenkt wird, ist das kontraproduktiv.
Die wahrgenommene Interessantheit eines Textes ist für die Behaltensleistung und das Textverständnis wesentlich bedeutsamer als die Einschätzung der Verständlichkeit des Textes. (Dies ist bei leseschwachen Kindern besonders ausgeprägt).
Beratungssituation:
"möglichst genaue Aufklärung von Lern- und Leistungsdefiziten eines Einzelfalls und um die Diagnose einer individuumsspezifischen Konstellation motivationaler Wirkbedingungen. Dazu benötigt man einen sehr viel differenzierteren Einblick in die Struktur und das Zusammenspiel motivationaler Dispositionen und Steuerungsprozesse ."
Krapp, Greyer und Lewalter, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Welche Bedeutung kommt Emotionen für das Lernen und Leisten zu?
Sehr schwer zu erfassen.
Positive Emotionen wirken in der Regel günstig, können aber auch eine zu geringe Intensität der Bearbeitung bewirken.
Negative Emotionen führen zu Ablenkung. Ärger reduziert die Konzentration.
"Hinsichtlich der Prüfungsangst wurde festgestellt, dass Hochängstliche – auch unter Kontrolle von Vorwissen und kognitivem Potenzial – in fast allen Schulfächern schlechtere Leistungen erzielen als Niedrigängstliche. Dies gilt insbesondere bei der Bearbeitung relativ schwieriger Aufgaben. Prüfungsängstliche Schüler denken in Leistungssituationen häufiger an sich selbst und ihre eigenen Defizite und deren negative Folgen, anstatt ihre Konzentration auf die Lösung der Aufgabe zu richten. Darüber hinaus geht Prüfungsängstlichkeit häufig mit defizitären Lernstrategien einher."
Leistungsangst wirkt negativ auf intrinsische Motivation (Zuschreibung einer negativen Valenz) und bestärkt Vermeidungsstrategien. Leistungsängstliche attribuieren Erfolg eher external und Misserfolg eher internal.
Yerkes-Dodson-Gesetz:
Es gibt ein optimales Erregungsausmaß für das Leistungsverhalten. Dieses optimale Erregungsniveau ist abhängig von Schwierigkeit/Komplexität einer Aufgabe.

Flow-Erleben wirkt positiv auf Lernleistung. Aber beachte: Flow ist "nicht nur Ursache, sonder auch Folge höherer Lernleistungen und dem daraus resultierenden Kompetenzzuwachs."
Krapp, Greyer und Lewalter, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Was weiß man über die Ontogenese von Motivation und Emotionen?
spezielles Feld der Entwicklungspsychologie
Ontogenese = Entwicklung eines Individuums über gesamte Lebensspanne
Ontogenetische Befunde
- Erleben eigener Wirksamkeit
Bereits ab. 1. Lebensjahr Bewusstsein für Wirksamkeit, ab 2. Lebenjahr auch für deren Ergebnis. Erste Vorstellung von Erfolg und Misserfolg
- Ursachenzuschreibungen für Leistungsunterschiede
Bis ins Vorschulalter wird Leistung auf Anstrengung attibuiert (Kinder glauben, alles erreichen zu können). Leistungerfahrungen in sozialen Gruppen (Schule) führen zur Erkenntnis, dass Fähigkeit auch eine Rolle spielt; ggf. kann trotz intensiver Anstrengung ein Leistungsziel nicht erreicht werden => Vorstellung eines stabilen allgemeinen Fähigkeitskonzepts
- Fähgkeitsselbstkonzept
Erst im Alter von ca. 12 Jahren ist die kompensatorische Beziehung zwischen Anstrengung und Fähigkeit verstanden.
- Zielorientierung
Leistungsorientierung überwiegt mit zunehmender Beschulung ggü. der anfänglichen Lernorientierung. V. a. beim Übergang von der Grundschule auf eine weiterführende Schule.
Entwicklungsetappen der Interessenbildung
hoch variabel
- Universelle Interessen: frühe Kindheit; relativ gleichartig und auf bestimmte Gegenstände/Aktivitäten ausgerichtet
- Geschlechtstypische Interessen: ab ca. 4 Jahren
- Allgemeine Interessen: Orientierung an Gleichaltrigen; den gesellschaftlichen Wandel widerspiegelnd
- Herausbildung identitätsrelevanter, individueller Interessen: mit Beginn der Pubertät
Entwicklung von Emotionen
Neugeborenen kennen nur Distress, Neugier/Interesse, Wohlbehagen, Ekel und Erschrecken. Damit machen sie die Bezugsperson auf ihre aktuellen Bedürfnisse aufmerksam. Ab ca. 3 Jahren entsteht langsam Scham oder Stolz. Im Vorschulalter bestehen noch enorme Schwierigkeiten bei der Differenzierung von Emotionen (z. B. Stolz vs. Freude).
Krapp, Greyer und Lewalter, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-24
Welche Entwicklungstrends zeigen sich im Verlauf der Schulzeit und wie lassen sie sich erklären?
Lernmotivation und Interesse
Fachliches Interesse nimmt (abgesehen von Gesellschaftswissenschaften) mit der Schulzeit ab.
- Ungünstige schulische Unterreichts- und Lernbedingungen (mangelnde Passung zwischen Bestreben nach Autonomie und Enge schulischer Lernumgebungen)
- Entwicklungsbedingte Veränderungen (Konkurrenz zwischen schulischer Anforderung und Entwicklungsaufgaben in der Adoleszenz, Einschätzung der jeweiligen Bedeutsamkeit)
- Differenzierung und Spezifizierung der Lern- und Leistungsziele (Interessen) mit zunehmendem Alter
Emotionen
Negative Emotionen nehmen auf Kosten positiver immer stärker zu (v. a. 5. & 6. Klasse, Pekrun et al., 2007).
Zwischen dem 5. und 8. Schuljahr wird das Gefühl von Stolz immer seltener, das von Langeweile immer häufiger erlebt.
Prüfungsangst steigt vor allem im 2. bis 3. Schuljahr. In der Sekundarstufe flacht sie langsam ab.
Krapp, Greyer und Lewalter, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-24
Wie und auf welchen theoretischen Grundlagen lassen sich eine günstige Lernmotivation und positive Emotionen fördern?
Förderung der Motivation auf der Basis der beiden theoretischen Konzepte
- Kognitiv-Handlungstheoretische Motivationsforschung bzw.
- Selbstbestimmungs- und Interessentheorie
Förderung von positiven Emotionen werden an dieser Stelle nicht explizit erwähnt.
- Kognitiv-Handlungstheoretische Motivationsforschung
- Motivationstrainings nach Krug und Hanel:
16 Einheiten mit dem Ziel der Optimierung von
- realistische Zielsetzung,
- angemessene Ursachenzuschreibung für Erfolg und Misserfolg
- positive Formen der Selbstbekräftigung
=> Abnahme der Furcht vor Misserfolg und Zunahme der Erfolgszuversicht
- kombinierte Trainings
Kombination von Motivationstrainings mit Trainings zur Verbesserung kognitiver Lernvoraussetzungen (z. B. Beseitigung von Wissenslücken, Vermittlung fachspezifischer Lernstrategien)
Bsp.:
- Rheinberg und Schliep (1985) - Motivations- und Rechtschreibtraining
- Fries (2002) - Material von Krug und Hanel gemeinsam mit Material zur Förderung indiktiven Denkens.(!)
- Attributionstrainings
Vorteilhaft ist Kombination von Einzel- und unterrichtsbegleitenden Kleingruppentrainings
- Reattributionstrainings
- Kommentierungstechnik
Rückmeldung von Leistungsergebnissen mit motivationsförderlichen Attributionen verknüpfen, und zwar
- direkt - z. B. "Du kannst Dich noch mehr anstrengen." oder
- indirekt - z. B. "Damit hatten die meisten Schüler auch Schwierigkeiten."
- Modellierungstechnik
(diskutiere stellvertretend für den Schüler mögliche Erklärung für Erfolg/Misserfolg)
- Operante Methode
systematische Verstärkertechniken
- Lob für günstige Ursachenerklärungen
- Kritik/Extinktion (Ignorieren) ungünstiger Attributionen
- Maßnahmen zur Förderung des Fähigkeitsselbstkonzepts
- Indirekte Fördermaßnahmen durch Lehrertrainings (Bezugsnormorientierung)
Eine individuelle Bezugsnormorientierung hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Art und Intensität der Lernmotivation im Vergleich zur sozialen BNO (Vergleich mit anderen Schülern). Besonders deutliche Effekte bei leistungsschwachen Schüler:innen.
Effekte variieren stark in Abhängigkeit vom Engagement der Lehrer oder der Interessantheit der Lerninhalte.
- Selbstbestimmungs- und Interessentheorie
Beachte: weder das Gefühl, selbstbestimmt zu handeln, noch das Interesse können direkt beeinflusst werden. Lediglich Lernumgebungen können entsprechend gestaltet werden.
Folgende Interventionsmöglichkeiten sieht Schiefele (2004)
- Förderung des Kompetenzerlebens
- Anpassung des Schwierigkeitsniveaus von Lernaufgaben an das Kenntnis- und Fähigkeitsniveau der Lernenden
- Unterstützung bei der Bearbeitung von Lernaufgaben, die den Lernenden momentan noch überfordern
- Förderung der Autonomieerfahrung
- Mitbestimmung bei Entscheidungen über verschiedene Lernwege oder Lernmaterialien (z.B. bei der Auswahl von Anwendungsfeldern des zu erarbeitenden Lernstoffs)
- Einsatz von Lehrmethoden, die ein hohes Maß an Eigenaktivität und Selbstbestimmung erlauben (z.B. Projektunterricht)
- Förderung der sozialen Einbindung
- kooperatives Lernen (z.B. in Form von Kleingruppen)
- partnerschaftliches Lehrer-Schüler-Verhältnis
- Hervorheben der subjektiven Bedeutung des Lerngegenstands
- Bezüge zu den übergeordneten Zielen der Schüler herstellen (z.B. im Hinblick auf Berufsvorstellungen)
- auf praktische Anwendungsmöglichkeiten des Lernstoffs hinweisen (z.B. Relevanz naturwissenschaftlicher Konzepte für die Lösung von Alltagsproblemen)
Bei der Interessenförderung durch den Einbezug informeller Lernumgebungen wie z. B. Museen, Schülerlabors, etc. hat die "Strukturierte Führung" durch museumspädagogisches Personal die beste Wirkung, gefolgt von "Eigenständigem Erkunden auf der Basis eines Advanced Organizers" sowie "Gruppenpuzzles" (Kleingruppenarbeit)
Krapp, Greyer und Lewalter, 2014
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-24
Was ist das Selbstkonzept und wie unterscheidet es sich vom Selbstwert und von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen?
Selbstkonzept = mentale Repräsentation der eigenen Person (Vorstellungen, Einschätzungen und Bewertungen); dieses kann sich auf einzelne Facetten oder die gesamte Person beziehen.
In der pädagogischen Psychologie ist vor allem das "bereichsspezifische Selbstkonzept" (domain-specific self-concept) relevant und für Prognosen zutreffend. Weitere (oft synonym verwendete) Bezeichnungen:
das Fähigkeitsselbstkonzept (Betonung auf den wahrgenommenen Leistungsstand [Performanz])
das Begabungsselbstkonzept (Berücksichtigung potentieller Leistungen)
Schulbezogene Selbstkonzepte haben praktisch für alle Schüler auch eine evaluative Komponente.
Carl Rogers verweist auf die große Bedeutung von Fremdeinschätzung (v. a. durch nahestehende Personen).
Selbstwertgefühl (self-esteem / self-worth) = globales Selbstkonzept/globale Bewertung der eigenen Person; nach James das Ergebnis der subjektiven Interpretation von Erfolgen oder Misserfolgen und der Stellung, die der Mensch in der Welt hat.
Hier kann die Skala von Rosenberg eingesetzt werden.
Selbstwirksamkeit(süberzeugung) (self efficacy) = Kompetenzüberzeugung (competence belief) ist breiter als Selbstkonzept, geht zurück auf Bandura: Konkrete Erwartung, dass eine Aufgabe oder Herausforderung aus eigener Kraft trotz Hindernissen erfolgreich bewältigt werden kann.
Schulisch ist häufig die Selbstverbesserung bedeutsam (self-improvement).
(Historie: William James begründete die Selbstkonzeptsforschung; Einführung des "I" - the self as knower - und des "Me" - the self as known; das "I" betrachtet das "Me")
siehe auch in dieser Frage hier
Möller und Trautwein, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-24
Wie ist das Selbstkonzept organisiert? Welche Zusammenhänge zeigen sich zwischen den unterschiedlichen Bereichen?
Das Selbstkonzept ist multidimensional und hierarchisch organisiert. Darüberhinaus differenziert es sich mit zunehmendem Alter aus.
Das Shavelson/Marsh-Modell

Revidiertes schulisches Selbstkonzept mit zwei globalen schulischen Faktoren

Untersuchungen zum revidierten Modell sind unter Internal/External-Frame-of-Reference-Modell bzw. Bezugsrahmenmodell beschrieben.
Möller und Trautwein, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Welche unterschiedlichen Arten der Stabilität lassen sich unterscheiden und welche Befunde gibt es hierzu für das Selbstkonzept?
Verschiedene Stabilitätskonzepte erzeugen sehr unterschiedliche Aussagen über die Stabilität des Selbstkonzepts
- Normative Stabilität (normative/differential/correlational stability)
Stabilität von interindividuellen Unterschieden in Selbstkonzepten bei mehrmaliger Messung; so, wie sich Rangpositionen zwischen den Messungen verschieben, sinkt die normative Stabilität.
Schulbezogene Selbstkonzepte weisen eine hohe normative Stabilität auf. Sie ähneln denen des Big-Five-Konzepts.
- Mittelwertstabilität (level stability)
z. B. Vergleich des durchschnittlichen Selbstkonzepts einer Schülergruppe der 7. Klasse mit der 10. Klasse.
Es gibt signifikante Mittelwertveränderungen. Zur Einschulung deutliche Überschätzung der Leistung normalisiert sich bis zur 6. Klasse.
Mathematische und sprachliche Selbstkonzepte sinken über die Jahre, das allgemeine schulische Selbstkonzept bleibt stabil.
Ursachen für das Sinken: Schulische Strukturen und Rückmeldesysteme haben unnötigerweise negative Auswirkungen: Benotungssystem im sozialen Vergleich (Klassenspiegel) produzieren "Verlierer" [kriteriale System könnten dies vermeiden]. Jedoch kann eine Ursache auch in einer realistischeren Selbstbewertung liegen.
"Obwohl im Allgemeinen das Selbstkonzept sinkt, haben fast alle Schüler Bereiche, in denen ihr Selbstkonzept stabil bleibt oder sogar ansteigt."
- Strukturelle Stabilität / Invarianz
Ein Konstrukt weist über die Zeit die gleichen Dimensionen und dieselben Verbindungen zwischen diesen Domänen.
Es gibt keine eindeutigen Befunde, ob eine steigende Differenzierung lebenslang stattfindet oder bereits früh (z. B. 5. Klasse lt. Marsh) abgeschlossen ist.
- Intraindividuelle / ipsative Stabilität
Die Organisation von verschiedenen Selbstkonzeptdomänen eines Individuums bleibt stabil (oder nicht). Z. B. Jugendlicher von 5. bis 10. Kl. hohes mathematisches, niedriges verbales, mittelhohes sportliches Selbstkonzept.
Wenig untersucht.
- Konstruktstabilität / inhaltliche Stabiliät
Ein Konstrukt bzw. Item hat für die Befragten über einen längeren Zeitraum stets dieselbe Bedeutung.
Voraussetzung zur Prüfung der übrigen Stabilitätsaspekte; sollte hoch sein, wenn ein Konstrukt genutzt wird.
Möller und Trautwein, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-24
Wie entstehen Selbstkonzepte, welche Vergleichsinformationen werden zur Bildung des Selbstkonzepts herangezogen?
Quellen selbstkonzeptrelevanter Informationen sind
- Soziale Vergleichsinformationen
- Temporale Vergleichsinformationen (längsschnittlicher Abgleich der eigenen Fähigkeit in einem Bereich)
- Dimensionale Vergleichsinformation (intraindividueller Vergleich zwischen mehreren Domänen)
- Kriteriale Vergleichsinformationen (Beobachtung, ob ein Kriterium erfüllt ist durch das Erbringen einer bestimmten Leistung)
Vergleichsinformationen lassen sich häufig nicht sauber trennen. Für die verschiedenen Vergleiche und deren Konsequenzen ist die Erfolgs- oder Misserfolgs-Attribution der Ursachen durch die Schüler mitendscheidend. Allerdings ist es bei Klassenarbeiten/sonstigen Bewertungen bei andauernden Misserfolgen kaum möglich, das eigene Fähigkeitsselbstkonzept gegen die negativen Leistungsrückmeldungen zu schützen.
Der soziale Vergleich wird besonders im Big-Fish-Little-Pond-Effekt berücksichtig. Beim I/E-Modell wird dieser um dimensionale Vergleiche ergänzt. Beide bezeichnen Bezugsrahmeneffekte und behandeln die Auswirkungen von schulischen Leistungsvergleichen auf fachbezogene Selbstkonzepte.
Möller und Trautwein, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-24
Was besagt der Big-Fish-Little-Pond Effekt?
Ein Schüler mit bestimmter Leistungsstärke hat in leistungsschwacher Klasse ein hohes schulisches Selbstkonzept, derselbe Schüler hat in leistungsstarker Klasse ein geringeres Selbstkonzept.
Dieser Big-Fish-Little-Pond-Effekt ist zu großen Teilen über die Leistungsrückmeldungen durch Lehrkräfte vermittelt. In leistungsstarken Klassen wird die gleiche Leistung schlechter bewertet, als in leistungsschwachen.
Der Big-Fish-Little-Pond-Effekt ist ein Bezugsgruppeneffekt und besonders beobachtbar beim Übergang von Primarstufe zu Sekundarstufe. Ein mittlerer Schüler erlebt im Gymnasium eher eine Reduktion des Selbstkonzeptes, auf einer niederschwelligeren Schulform jedoch eine Erhöhung. Im Laufe der Sekundarstufe I konvergiert das mittlere schulische Selbstkonzept.
Der Bezugsgruppeneffekt tritt nicht nur bei Selbstkonzepten auf, sondern auch beim Interesse für ein Fach. Dies kann sogar noch 50 Jahre nach dem Schulbesuch nachgewiesen werden.
Kein Bezugsgruppeneffekt findet sich in Hinblick auf die selbst berichtete Anstrengung im Unterricht.
"Für Eltern, Schüler und Lehrkräfte ergibt sich aus diesen Befunden ein Spannungsfeld: Leistungsstärkere Umgebungen scheinen der Leistungsfähigkeit des Einzelnen zuträglich, beeinträchtigen aber das Selbstkonzept. Umgekehrt fördern leistungsschwächere Umgebungen das Selbstkonzept, wirken aber weniger leistungsfördernd. Als psychologisch begründete Empfehlung ergibt sich daraus, dass soziale Vergleichsprozesse gerade bei schwachen Schülern nicht in den Vordergrund gerückt werden sollten. Diese profitieren eher von temporalen Vergleichen, mit denen Lehrer ihnen ihre Leistungszuwächse deutlich machen können."
Möller und Trautwein, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-24
Was besagt das Internal/External-Frame-of-Reference-Modell?
Das I/E-Modell von Marsh erklärt die Zusammenhänge zwischen fachspezifschen Schulleistungen und fachspezifischen Selbstkonzepten.

Es basiert auf vier Prozessen:
- Anwendung eines externalen Bezugsrahmens (external frame of reference) zur Beurteilung der eigenen Leistung: "Wie gut bin ich in Mathe im Vergleich zu meinen Mitschülern?"
- Positive Korrelation zwischen Schulleistung und Selbstkonzept aufgrund sozialer bzw. interindividueller Vergleiche.
- Anwendung eines internalen Bezugsrahmens (internal frame fo reference) zur Beurteilung der eigenen Leistung: "Wie gut bin ich in Deutsch im Vergleich zu Mathe?"
- Negative Korrelation zwischen Schulleistung im einen Fach und Selbstkonzept im anderen Fach durch dimensionale bzw. intraindividueller Vergleiche.
Ein Kontrasteffekt ist dabei entscheidend: Schüler nehmen die Unterschiede ihrer eigenen Leistungsfähigkeit übertrieben deutlich wahr - sie überschätzen ihre Stärken und unterschätzen ihre Schwächen. Dadurch wird die Genauigkeit der Selbsteinschätzung eigener Fähigkeiten beeinträchtigt. "Dies ist insbesondere für begabte Schüler von Nachteil, die sich möglicherweise vorzeitig zu stark spezialisieren, obwohl sie auch in den Bereichen, die sie selbst als ihre relativen Schwächen erleben, sehr gute Leistungen erzielen könnten."
Soziale Vergleiche wirken stärker als dimensionale. Daher verringert sich die Korrelation zwischen mathematischem und verbalem Selbstkonzept.
Es "ist umstitten, ob dimensionale Vergleiche in der Summe zu höheren Selbstkonzepten beitragen. Insbesondere Lehrer überschätzen die Korrelationen zwischen den Schülerselbstkonzepten deutlich. Die Kenntnis der Effekte dimensionaler Vergleiche könnte also dazu beitragen, dass Lehrer die Selbstbilder ihrer Schüler besser nachvollziehen können."
Das I/E-Modell wurde zum GI/E-Modell (generalisiertes I/E-Modell) erweitert, mit Berücksichtigung weiterer Schulfächer, sowie zum 2I/E-Modell, wobei auch temporale Vergleiche abgebildet werden. Letztere sind aber noch schwächer als die anderen beiden Vergleiche.
Akademische Selbstkonzepte sind Bestandteile der persönlichen Identität (entwicklungspsychologisch). Ihre mit Beeinträchtigung einer realistischen Selbsteinschätzung verbundenen dimensionalen Vergleiche (=verzerrtes Wissen um die eigene Leistungsfähigkeit) trägt dazu bei, sich Umwelten und Herausforderungen zu wählen, die zum eigenen Fähigkeitsprofil passen.
Möller und Trautwein, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Welche Geschlechterunterschiede zeigen sich und welche Erklärungsansätze gibt es hierfür?
Jungen berichten im Mittel ein höheres mathematisches als sprachliches Selbstkonzept, Mädchen umgekehrt. Diese Wahrnehmung wird nur teilweise in tatsächlichen Leistungsunterschieden bestätigt.
Denken und Handeln von zentralen Bezugspersonen wie Eltern und Lehrer beeinflussen die wahrgenommenen Geschlechterstereotypien. Z. B. tendieren Eltern und Lehrkräfte bei gleichem Leistungsstand eher dazu, Jungen eine höhere Begabung in Mathematik zu attestieren.
Lehrer nehmen bei gleichem Leistungsstand bei Jungen höhere Begabung, bei Mädchen mehr Fleiß wahr.
"Working self-concept" = Stereotype nehmen nicht nur Einfluss auf die langfristige Entwicklung von Selbstkonzepten, sondern können auch kurzfristig in Testsituationen wirksam werden.
Stereotype Threat = die Aktivierung negativer Stereotype über bestimmte Subgruppen führt dazu, dass die Mitglieder dieser Gruppen schlechtere Leistungen produzieren, als wenn das negative Stereotyp nicht aktiviert ist.
Es kann ausreichen, einen Test als "Intelligenztest" zu bezeichnen.
Ähnliche Befunde fanden sich in Hinblick auf die Mathematikleistung von Mädchen und Frauen: Ihre Mathematikleistungen litten dann, wenn in der Testsituation Stereotype zu Geschlechtsunterschieden aktiviert wurden. Wiederum reichten einfache Manipulationen (wie beispielsweise die Anwesenheit von Männern) aus, um die negativen Effekte des Stereotype Threat zu erzeugen.
Als Faktoren, die den Effekt erklären können, wurden u. a. Leistungsängstlichkeit, Erwartungseffekte, aufgewendete Anstrengung sowie kognitive Interferenzen angeführt.
Möller und Trautwein, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-24
Welche schulischen Einflüsse gibt es auf das Selbstkonzept?
"Studien zur Passung von Entwicklungsstufe und Lebensumwelt (dem sog. „stage-environment fit“) deuten darauf hin, dass das Selbstkonzept von Jugendlichen von der Struktur eines Bildungssystems beeinflusst werden kann."
"Wenn Lehrer Leistungen ausschließlich im sozialen Vergleich bewerten und sanktionieren und damit sehr stark soziale Bezugsnormen in den Mittelpunkt rücken sowie dabei die intraindividuellen Leistungszuwächse vernachlässigen, leidet das Selbstkonzept insbesondere der schwächeren Schüler. Verwenden Lehrer zusätzlich individuelle Bezugsnormen, nach denen die Schülerleistung quasi im Längsschnitt betrachtet wird, haben auch schwächere Schüler die Möglichkeit, Anerkennung für ihre Leistungszuwächse zu erhalten und günstige Attributionsmuster und höhere Selbstkonzepte zu entwickeln. "
Möller und Trautwein, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-24
Wie hängen Selbstkonzept, Lernverhalten und Leistung zusammen?
Nach dem Skill-Development-Ansatz werden fachbezogene Selbstkonzepte von schulischen und außerschulischen Rückmeldungen beeinflusst. D. h. Leistungen sind ursächlich für Selbstkonzepte.
Der Self-Enhancement-Ansatz nimmt hingegen an, dass Selbstkonzepte Lernleistungen beeinflussen.
Für beide Ansätze gibt es Evidenz, insofern geht man davon aus, dass Selbstkonzept und Leistung in einem reziproken Zusammenhang stehen.
Valentine et al. (2004) und Helmke (1992) haben spezifisch für das Fach Mathematik das Zusammenspiel zwischen Selbstkonzept und Leistung untersucht.
Um negative Effekte von Rückmeldungen zu vermeiden, gilt: "Schüler dürfen ruhig wissen, dass sie noch nicht genug wissen – aber sie sollen daran glauben, dass sie das Wissen erwerben können und es sich lohnt, das Wissen zu erwerben. Eine Orientierung an leistungsstarken Mitschülern dürfte deshalb positiv sein, wenn sie mit der Überzeugung verknüpft ist, von dem
Mitschüler lernen zu können bzw. ähnlich viel hinzulernen zu können, aber negative Folgen haben, wenn der Vergleich mit diesem Mitschüler das eigene Selbstkonzept stark negativ beeinträchtigt."
Möller und Trautwein, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-24
Was besagt das Erwartungs-Wert-Modell und welche Rolle spielt hierin das Selbstkonzept?
Leistung entwickelt sich dann positiv, wenn ein Schüler davon ausgeht, erfolgreich sein zu können (Erwartungs-Komponente; Wahrscheinlichkeit, eine Aufgabe lösen oder gute Leistungen erbringen zu können) und er das Fach interessant, wichtig oder nützlich findet (Wert-Komponente; Bedeutung/Nutzen einer Aufgabe, Interesse an einer Aufgabe).
Die Erwartungskomponente ist eng mit dem Selbstkonzept verbunden. Aus der Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit
in einer Domäne wird die Erwartung abgeleitet, zukünftig gute Leistungen erbringen zu können.
Eine Kombination von Erwartungs- und Wertkomponente bestimmt die Leistungsmotivation, die Anstrengung und Ausdauer einer Person sowie ihr leistungsbezogenes Wahlverhalten.
Das Fähigkeitsselbstkonzept ist Mediator zwischen den Leistungserfahrungen einer Person und der Lernmotivation und dem Lernverhalten. Die Wert-Komponente wird maßgeblich beieinflusst.
"Wenn ein unterstützendes familiäres und schulisches Klima vorhanden ist und vor allem positive Lernerfahrungen vorliegen, führen positive Leistungsrückmeldungen zu einem hohen Selbstkonzept. Mit einem hohen Selbstkonzept sind die Voraussetzungen günstig, dass ein Schüler in dieser Domäne auch eine hohe Lernmotivation zeigt. Auch die motivationalen Voraussetzungen sprechen dann für ein zukünftig hohes Engagement und entsprechende Lernergebnisse."
In höheren Klassen ist der Zusammenhang von Selbstkonzept, Interessen und Schulleistung sehr eng.

Möller und Trautwein, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Wie kann das Selbstkonzept positiv beeinflusst werden?
"Positive Lernerfahrungen und Leistungsrückmeldungen sowie unterstützendes Verhalten durch Eltern und Lehrkräfte schaffen die Ausgangsbasis für ein positives Selbstkonzept."
Attributions- und Motivationstrainings sind förderlich zur Veränderung der Bewertung der eigenen Fähigkeit. Es ist darüber hinaus notwendig, ein realistisches Anspruchsniveau zu entwickeln.
Schüler, die zu leichte oder zu schwere Aufgaben als Grundlage der Selbstbewertung wählen, vermeiden detaillierte Rückmeldung zu ihrer eigenen Leistungsfähigkeit.
Geeigneter sind Ziele, die sich an der individuellen Leistungsentwicklung des Schülers orientieren und knapp über dem bisher Erreichten liegen.
Besonders bei Misserfolg kann bei einer solchen Aufgabenwahl auf die eigene Anstrengung attribuiert werden, die dann bei zukünftigen Anforderungen gesteigert werden kann.
Outward-Bound-Programme mit erlebnispädagogischen Inhalten. Verknüpfung mit Mathematik zum Beispiel durch Marsh und Richards (1988).
Die Förderung eines adäquaten und positiven Selbstkonzepts als ist zentrales Ziel pädagogischer Bemühungen.
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen sollten auch berücksichtigt werden.
Möller und Trautwein, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-25
Bildungspsychologie » Bildungspsychologie Grundlagen » Unterricht und Lehrkräfte
Was ist Unterricht?
"Unterricht kann als langfristig organisierte Abfolge von Lehr- und Lernsituationen verstanden werden, die von ausgebildeten Lehrpersonen absichtsvoll geplant und initiiert werden und die dem Aufbau von Wissen sowie dem Erwerb von Fertigkeiten und Fähigkeiten der Lernenden dienen. Sie finden in der Regel in bestimmten dafür vorgesehenen Institutionen unter regelhaften Bedingungen statt (Terhart 1994)."
Lipowski, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-26
Was kennzeichnet Aeblis kognitionspsychologische Didaktik?
Schwerpunkt: Lern- und Verstehensprozesse; fragt nach allgemeingültigen Strukturmerkmalen der Operations- und Begriffsbildung.
Aus Konstruktivismus: Wissen muss selbst aufgebaut werden und Auseinandersetzung mit Problemen ist besonders förderlich.
PADUA:
Problemlösendes Aufbauen
Ein Problem führt Lernende zu den geforderten Operationen und verdeutlicht die sachlichen Beziehungen und Strukturen.
Aber: Einsichten sind noch sehr am Problem verhaftet.
Durcharbeiten
von Handlungen, Begriffen und Operation, d. h. vielfältige Transformationen durchführen.
Ziel: vertieftes Verstehen
Aufgabe der Lehrperson: Hervorheben der neuen Einsichten und weiterhin Überblick über das Ganze verschaffen!!
Wichtig: Inhaltliche Klarheit und Potential kognitiver Aktivierung
Üben und Wiederholung
zur Automatisierung und Konsolidierung
Bea.: verteiltes Üben und erst nach ausreichender Durcharbeitung auswendig lernen.
Wichtig: Erkenntnisse zum produktiven/sinnvollen Üben, kooperatives Lernen, metakognitive Förderung
Anwenden
um Operationen und Begriffe transferierbar für neue Kontexte und Situationen zu machen. Erst das bedeutet Vollständigkeit des Lernprozesses
Kritik:
es wird nicht deutlich genug zwischen Lehr- und Lernaktivitäten unterschieden;
Erarbeitung neun Wissens durch lehrerzentrierte Unterrichts- und Gesprächsformen werden nicht mehr als lernwirksamer und motivationsförderlicher angesehen.
Lipowski, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-27
Welche Instructional-Design-Modelle lassen sich unterscheiden? Was sind ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede?
- Behavioristisch orientierte Instructional-Design-Modell
- Modell von Carroll (Lernzeit!)
- Modell von Bloom (zielerreichendes Lernen! durch ausreichend Lernzeit)
- Kogntionspsychologisch findierte Instructional-Design-Modelle
- Modell von Ausubel (darbietende Verfahren!)
- Modell von Bruner (Entdecken!)
- Konstruktivistische Ansätze (situiertes/problemorientiertes Lernen!)
- Anchored Instruction
- Cognitive Apprenticeship
- personalisiertes Lernen
- produktives Scheitern
Kritik: v. a. die frühen Instructional-Design-Modell betrachten Unterricht als sehr technologisch und unrealistisch vollständig planbare Teilschritte.
Lipowski, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-27
Was sind die Prädiktoren des Lernerfolgs im Modell von Carroll?
Lernerfolg = aktive Lernzeit / benötigte Lernzeit
Die Lernzeit wird als zentral angesehen. Die Prädiktoren für die beiden Bausteine sind in der Abbildung aufgezeigt.

- Merkmale guten Unterrichts:
- vernünftige Anordnung der Inhalte,
- das Ausmaß an Wiederholungne und Anwendungen,
- die Klarheit der Anforderungen
- die Bekräftigungne, Verstärkungne und Rückmeldungen durch die Lehrperson
Lipowski, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Welche Elemente weist das Instruktionsmodell von Ausubel auf?
Der Lehrende hat eine zentrale Rolle; besonders schwächerie Schüler:innen bedürfen darbeitende Verfahren (Exposition) und Vorstrukturierung des Unterrichtsgegenstandes.
- Advanced Organizer (Strukturierungshinweise/Verankerungsmöglichkeiten)
- Deduktives Vorgehen ( von allgemeinen Begriffen zu spezifischen Details)
- Integrative Aussöhnung (Beziehungen, Ähnlichkeiten, Unterschiede zwischen inhaltlichen Aspekten verdeutlichen
- Sequenzielle Organisation (Abhängigkeiten innerhalb des Stoffes beachten und den Stoff entsprechen sequenzieren)
- Verfestigung ( Übungen, Wiederholungen mit fortschreitender Variation)
Lipowski, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-27
Was kennzeichnet Anchored Instruction und Cognitive Apprenticeship?
Anchored Instruction
Narrative Anker (=Geschichten), die an einer Stelle abbrechen. Lernende sollen das Problem entdecken und lösen. Die Lehrkraft hält sich zurück.
Cognitive Apprenticeship (Collins)
(abgeleitet aus Prinzipien der Handwerkslehre)
Lehrperson zunächst aktiver, dann immer stärker reduziert
Kernelement: Lautes Denken
Schritte und Strategien zur Unterrichtsgestaltung:
- „Modeling“ meint das Vorzeigen und Vormachen und das laute Denken der Lehrperson.
- „Coaching“ umfasst die Begleitung der Lernenden während der Problembearbeitung.
- „Scaffolding“ beschreibt die „Vermittlungsbemühungen“ der Lehrperson im Sinne minimaler didaktischer Hilfe, um eine Brücke zu schlagen zwischen dem bestehenden Wissen der Lernenden und den Anforderungen der Aufgabensituation.
- „Fading“ meint, dass die Lehrperson nach und nach ihre Unterstützung zurückfährt.
- „Articulation“ bedeutet, dass die Lernenden angeregt werden, ihre Gedanken, Ideen und Lösungen wiederzugeben.
- „Cooperation“ umfasst die kooperative Bearbeitung von Aufgaben und Problemen.
- „Reflection“ impliziert den Vergleich von Lösungen und Strategien im Austausch mit anderen.
- Diese Schritte werden gerne auch in Trainingsprogrammen für Lernstrategien genutzt.
Lipowski, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-27
Welche Komponenten weist das Angebots-Nutzungs-Modell schulischen Lernens auf? Welche Implikationen ergeben sich daraus?
Das Angebots-Nutzungs-Modell ist hoch abstrakt und insofern eher ein Rahmenmodell (nach Fend und Helmke, vor allem im deutschsprachigen Raum). Es nutzt schulische und außerschulische Determinanten in einem integrativ-systemischen Ansatz.

Schulerfolg: nicht nur Lern- und Leistungsentwicklung, sondern auch affektiv-motivationale und persönlichkeitsbezogene Entwicklung
Unterricht: nicht nur direkte Wirkungen auf den Schulerfolg, sondern auch indirekt vermittelte Wirkungen über die Wahrnehmung und Nutzung unterrichtlicher Lerngelegenheiten (z. B. Erleben des Unterrichts, Anstrengungsbereitschaft oder Mitarbeit)
Lernende sind mitverantwortliche Konstrukteure ihres Wissens.
Unterricht beinhaltet wechselseitige Interaktionen und Beeinflussungen zw. Lehrpersonen und Lernenden.
Lehrperson: fachliches und fachdidaktisches Wissen und Überzeugung von Lehrpersonen kann positiv auf den Schulerfolg von Lernenden wirken; motivationale und persönlichkeitsbezogene Aspekte der Lehrperson wirken eher indirekt.
Lernende: Entwicklung vor allem von deren spezifischen Voraussetzungen geprägt. Insbesondere die soziale Herkunft ist relevant.
Klassenzusammensetzung: steigt die Leistungsfähigkeit einer Klasse, so steigt auch die individuelle Leistungsfähigkeit.
Merkmale der Schule: eher von untergeordneter Bedeutung, aber:
"Die Schuleffektivitätsforschung gelangt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass sich lernwirksame Schulen durch hohe Leistungserwartungen an die Lernenden, durch eine effektive und verantwortungsvolle Schulleitung mit einem Fokus auf das Kerngeschäft des Unterrichts, durch Konsens und Kooperation innerhalb des Kollegiums, durch ein positives, störungsarmes Schulklima, durch die systematische Überprüfung und Bewertung von Lernfortschritten der Lernenden und durch eine intensive Zusammenarbeit mit den Eltern auszeichnen "
Lipowski, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Welche Bedeutung kommt den unterschiedlichen Ebenen (Individuum, Klasse, Schule) für den Schulerfolg zu?
Mehrebenenanalyse: Einflüsse von Faktoren der drei Ebenen können gleichzeitig modelliert und analysiert werden.
Erklärung der Schulleistungsvarianz
- primär durch individuelle Schülermerkmale
- sekundär durch Klassenzugehörigkeit
- tertiär durch Merkmale der Schulen
Amerikanische "value-added"-Studien:
Klassenebene ist bedeutsamer als vorher angenommen, wenn statt Leistungsstand die Leistungsentwicklung untersucht wird.
Merkmale von Schule und Unterricht haben für Schülerinnen und Schüler mit ungünstigen Startvoraussetzungen eine größere Bedeutung als für Lernende mit günstigeren Startvoraus-
setzungen.
Lipowski, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-04-28
Was ist erfolgreicher Unterricht? Welche Merkmale weist er auf?
Erfolgreicher Unterricht ist lernwirksamer Unterricht mit einer guten Tiefenstruktur.
- Strukturiertheit des Unterrichts
- Inhaltliche Klarheit und Kohärenz des Unterrichts
- Feedback
- Kooperatives Lernen
- Üben
- Kognitive Aktivierung
- Metakognitive Förderung
- Unterstützendes Unterrichtsklima
- Innere Differenzierung, Individualisierung, formatives Assessment und Scaffolding als Formen adaptiven Unterrichts
- Lernwirksamer Unterricht für "Risikoschüler"

Lipowski, 2020
https://deutsches-schulportal.de/unterricht/was-macht-guten-unterricht-aus/; abgerufen am 28.04.2023
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Was kennzeichnet die unterschiedlichen Unterrichtsmerkmale (z. B. Strukturiertheit, Feedback, kooperatives Lernen, kognitive Aktivierung, innere Differenzierung) und in welchem Verhältnis stehen bei ihnen kognitive und motivationale Zielvariablen?
Strukturiertheit des Unterrichts
zentrales Merkmal effektiven Unterrichts, aber unterschiedlich operationalisiert:
- didaktische Aspekte => Voraussetzung für angemessene Anferderungen an die Lernenden
- Verhalten der Lernenden und Aufrechterhaltung der Disziplin im Klassenzimmer => störungsfreie Lernumgebung;
bereits zu Beginn der Lernperiode Regelsystem einführen
time on task erhöhen!
- Maßnahmen, die geeignet sind, eine Verbindung zwischen dem Vorwissen der Lernenden und neuen Wissenselementen herzustellen und den Aufbau einer komplexen und geordneten Wissensstruktur beim Lernenden zu fördern =>
Fokus auf relevante Aspekte des Unterrichtsgegenstandes, Relationen und Verankerungsmöglichkeiten schaffen.
Advanced Organizers!
Die kognitiven Zielvariablen können ddie affektiv-motivationale Entwicklung befördern. Ein Mindestmaß an didaktischer Strukturierung ist eine notwendige Voraussetzung für eine wirksame Klassenführung darstellt, die wiederum als wichtige Voraussetzung dafür angesehen werden kann, dass inhaltsbezogene Strukturierungen und Hinweise Wirkungen entfalten können.
Positive Wirkung auf Autonomie- und Kompetenzerleben, Interessenentwicklung, Engagement und Selbstkonzept
Exkurs: Lehrerfragen
Lehrerfragen dienen dazu, den Unterricht zu strukturieren und zu steuern, die Aufmerksamkeit der Lernenden auf relevante Aspekte des Unterrichts zu lenken, das Vorwissen zu aktivieren, die Lernenden anzuregen und herauszufordern, Lernwege, (Miss-)Konzepte und (Fehl-)Vorstellungen offenzulegen, den Wissensstand der Lernenden zu ermitteln, Unterrichtsergebnisse zu sichern, oder manchmal auch dazu, die Lernenden zu disziplinieren.
Studien zeigen, dass es einer bestimmten Zeitspanne zwischen der Lehrerfrage und dem Aufrufen einer Schülerin bzw. eines Schülers (Wartezeit) bedarf, damit die Frage ihr Potenzial entfalten kann. Als optimal wird eine Wartezeit von 3–5 s betrachtet.
Schülerfragen sind im Unterschied zu Lehrerfragen ein vergleichsweise seltenes Ereignis, erfüllen jedoch eine wichtige Funktion beim Wissensaufbau.
Inhaltliche Klarheit und Kohärenz des Unterrichts
Inhaltliche Klarheit beschreibt einen Unterricht, in dem die inhaltlichen Aspekte des Unterrichtsgegenstandes sprachlich prägnant und verständlich, fachlich korrekt und inhaltlich kohärent dargestellt und/oder entwickelt werden.
Auf der Basis der Cognitive-Load-Theorie lässt sich argumentieren, dass die Betonung relevanter Informationen, der Verzicht auf irrelevante und überflüssige Informationen, die didaktische Reduktion der Komplexität des Inhalts sowie die angemessene Verbindung unterschiedlicher Repräsentationsformen das Arbeitsgedächtnis entlasten und die Informationsverarbeitung erleichtern.
Aktuellere Ansätze in der Unterrichtsforschung verweisen mit Begriffen wie „attending to concepts“, „opportunities to learn“, "inhaltlich fokussierte Informationsverarbeitung“ oder „Verstehenselemente“ auf die Bereitstellung fachlich relevanter Lerngelegenheiten. Hiermit sind demnach curriculare Entscheidungen und Schwerpunktsetzungen der Lehrpersonen gemeint, im Unterricht fachlich zentrale Themen, Konzepte und Ideen zu behandeln
Lernen aus Lösungsbeispielen insbesondere für das Lernen von mathematischen und naturwissenschaftlichen Inhalten
Nach einer ersten Einführung des Themas folgt ein Studium von Aufgabenbeispielen, die bereits ganz oder teilweise gelöst sind. Die Lernenden werden also mit mehreren Lösungsbeispielen konfrontiert, die das zugrunde liegende Prinzip, Verfahren oder Lösungsschemata an mehreren Aufgaben und nicht – wie in vielen einführenden Abschnitten von Schulbüchern – an einer Aufgabe darstellen. Diese Arbeit mit Lösungsbeispielen basiert auf Annahmen der Cognitive-Load-Theorie, wonach eigene Lösungsversuche das Arbeitsgedächtnis so stark belasten, dass nur geringe Kapazitäten für das Ausbilden von Lösungsschemata verbleiben, während demgegenüber die Auseinandersetzung mit komplett oder partiell gelösten Aufgabenbeispielen das Augenmerk des Lernenden auf das Verstehen der Lösungsschritte und -verfahren lenken.
Die Forschung zeigt: Das Studieren und Analysieren von Lösungsbeispielen ist insbesondere dann effektiv, wenn die Lernenden über wenig Vorwissen verfügen, wenn sie mit Fragen und Prompts zur Reflexion und zu Selbsterklärungen angeregt werden, wenn die Lösungsbeispiele variiert werden und die Lernenden nach und nach einzelne Lösungsschritte selbst übernehmen, also Lücken im Lösungsprozess selbst füllen müsse.
Motivational-affektive Effekte sind schwach untersucht, vermutlich bewirkt höhere Klarheit auch höhere Zufriedenheit.
Feedback
Definition:
Feedback wird als jede Art von Rückmeldung verstanden, die sich auf die Leistung oder das Verständnis des Lernenden bezieht, diesen über die Richtigkeit seiner Antwort bzw. seiner Aufgabenlösung informiert (Mory 2004) oder ihm inhaltliche und/oder strategische Hilfen und Informationen zu seinem Bearbeitungsprozess zur Verfügung stellt. Das Feedback kann von der Lehrperson, einem Mitschüler, dem Lernenden selbst oder einem Medium gegeben werden.
(Bloße Bekräftigungen (Belohnungen, Lob, Tadel) ohne Bezug auf die erbrachte Leistung werden in der Regel nicht zum Feedback gezählt)
Zentrale Funktion im Lehr-Lernprozess. Aus kognitionspsychologischer Sicht: informierende Funktion - Bewusstmachen von Differenz zwischen Zielzustand (feed-up) und aktuellem Stand (feed-back) und Antwort, was erforderlich ist zur Zielerreichung (feed-forward)
Elaborierte Rückmeldung: neben richtig/falsch und Ergebnis Hinweise, Informationen und Erklärungen; v. a. bei Aufgabenstellungen, die den Erwerb von Regeln und Konzepten intendieren und komplexeres Denken erfordern,
Prozessorientiertes Feedback besser als notenzentriertes; sofortige Rückmeldung besser als aufgeschobene.
Leistungsstärkere SuS profitieren von einem globalen Feedback mehr als von einem elaborierten. Wenn Feedback mehr Informationen enthält als zur Korrektur eigentlich notwendig sind, belastet elaboriertes und komplexes Feedback das Arbeitsgedächtnis der Lernenden unnötig und bindet wertvolle Lernzeit mit vergleichsweise irrelevanten Hinweisen, z. B. bei einfachen Aufgabenstellungen, die lediglich die Wiedergabe von Fakten erfordern.
(„expertise-reversal-Effekt“: Unterstützung seitens der Lehrperson, die für Lernende mit geringem Vorwissen wichtig und lernförderlich ist, für Lernende mit hohem Vorwissen schädlich sein kann)
Vier Ebenen der Rückmeldung nach Hattie und Timperley
- Aufgabenbezogenes Feedback (setzt allerdings voraus, dass Lernende bereits über ausreichendes Verständnis und Vorwissen verfügen.)
- Feedback auf der Ebene des Verarbeitungsprozesses (hilft, Fehler zu identifizieren, weitere Informationen zu sammeln und Strategien zu verwenden bzw. zu optimieren.)
- Feedback zum Prozess der Selbstregulation (=> größere Anstrengungsbereitschaft und höhere Selbstwirksamkeit)
- Feedback, das sich lediglich auf die Person des Lernenden oder auf seine generelle Leistung bezieht, gilt als unwirksam.
Lehrpersonen geben vergleichsweise häufig unspezifische Rückmeldungen und loben, ohne auf die Besonderheiten der Aufgabenbearbeitung oder auf individuelle Lernfortschritte Bezug zu nehmen.
Positive Wirkungen von Feedback auf motivationale Variablen lassen sich u. a. mit der Cognitive-Evaluation-Theorie erklären. Feedback kann sich dementsprechend über zunehmende Anstrengung, höheres Engagement, geringere Unsicherheiten und wachsendes Kompetenzerleben auf die Motivation und die Selbstwirksamkeit der Lernenden auswirken, da die Lernenden durch Feedback Informationen über die Wirkungen ihrer Lernhandlungen erhalten und ihre Anstrengungen beachtet und gewürdigt sehen, wodurch sich ihr Kompetenzgefühl und ihre Lernfreude steigern lassen.
Kooperatives Lernen
- Aufgabe kann nur zusammen gelöst werden
- Individuelle Verantwortung
- Face-to-Face-Kommunikation, gegenseitige Kommunikation, wechselseitige Rückmeldung
- Soziale Fähigkeiten als Voraussetzung
- Metakognition und Reflexion: welche Arbeitsschritte sind hilfreich, wie muss Prozess modifiziert werden.
Effekte von "peer-assisted learning (PAL)" für Schüler im Grundschulalter höher als für ältere Lernende und in individualistisch orientierten westlichen Gesellschaften mit schwächeren als in kollektivistisch orientierten Kulturen, wie sie z. B. in asiatischen Ländern vorherrschend sind.
Eine heterogene Zusammensetzung der Gruppe kommt offenbar insbesondere den schwächeren Schülerinnen und Schülern
zugute .
Für das Gelingen kooperativen Lernens spielt die Interaktionsqualität eine wichtige Rolle (wie intensiv die Lernenden aufeinander Bezug nehmen und Beiträge der anderen Gruppenmitglieder aufgreifen und weiterentwickeln; ggf. durch Skripts befördert.)
Es ist wichtig, dass die Lernenden im Anschluss an eine kooperative Phase mit korrekten Lösungsansätzen konfrontiert werden.
Kooperatives Lernen ist dann wirksamer als Einzelarbeit, wenn die unterrichtlichen Anforderungen komplexer Natur sind und problemlösendes Lernen erfordern.
Beim STAD-Konzept erfolgt eine Gruppenbelohnung aufgrund individueller Leistungen der Gruppenmitglieder, dagegen wird auf eine Vorstrukturierung der Aufgaben in der Regel verzichtet. Beim zweiten hier vorgestellten Konzept, dem Jigsaw (Gruppenpuzzle), erfolgt dagegen keine Belohnung der Leistungen, dagegen sind die Aufgaben vorstrukturiert. Jigsaw ist nicht so hilfreich.
Student Teams-Achievement Divisions (STAD, Slavin 1996)
STAD ist eine Kombination aus Gruppenarbeit, regelmäßiger Leistungsüberprüfung und Gruppenbelohnung und besteht aus mehreren Phasen.
- Lehrperson führt im Klassenverband in das Thema des Unterrichts ein.
- Lernenden arbeiten in leistungsheterogenen Gruppen (3-5 UE). Ziel: alle Mitglieder der Gruppe lösen die Aufgabe(n). Jede Gruppe bekommt die gleiche(n) Aufgabe(n) und die gleichen Materialien zur Verfügung gestellt.
- Individuelle Leistungsüberprüfung mit einem Quiz bzw. Test. Dabei arbeitet jede Schülerin bzw. jeder Schüler allein. Die erzielten individuellen Leistungen der Schülerinnen und Schüler werden jeweils mit einer Baseline, die vor der eigentlichen kooperativen Phase erfasst wurde, verglichen. Am Lernfortschritt bemisst sich, wie viele Punkte jedes Gruppenmitglied erhält. Die Punkte werden pro Gruppe aufsummiert, die Gruppe mit den meisten Punkten, d. h. dem höchsten Lernfortschritt, gewinnt. Eine Gruppe – so die Erwartung – kann also nur dann erfolgreich sein, wenn alle Mitglieder der Gruppe dazugelernt haben. Slavin (1996) verweist auf die große Bedeutung, die der individuellen Leistungsüberprüfung in diesem Modell eingeräumt werden muss.
Für Slavin (1996) stellt die Motivation der Lernenden, die seiner Meinung nach insbesondere durch die gruppenbezogene Belohnung auf der Basis der individuellen Leistungen der Gruppenmitglieder und die sich dadurch ergebende individuelle Verantwortlichkeit der Lernenden gefördert wird, den entscheidenden Wirkmechanismus beim kooperativen Lernen dar.
Üben
Üben und Wiederholen sind vor allem für den langfristigen Lernerfolg von Bedeutung. Training und Übung können geringe Fähigkeiten und Begabung zumindest partiell kompensieren.
"Deliberate Practice" = an das vorhandene Niveau des Lernenden angepasste Übungen, korrektives Feedback des Trainers bzw. der Lehrperson, vertiefte Konzentration – im Unterschied zum automatisierten und „bewusstlosen“ Abarbeiten von Aufgaben – sowie die Fokussierung auf die zu trainierenden spezifischen Fertigkeiten bzw. Leistungen. Bei „deliberate practice“ handelt es sich demnach um eine Übungspraxis, die die Lernenden herausfordert und zu anspruchsvollen Aktivitäten anregt.
Bei Dezimalzahlen wechselseitige Zusammenhänge zwischen Entwicklung konzeptuellen Verständnisses und prozeduraler Fertigkeiten belegt.
Wiederholtes Lesen der gleichen Textabschnitte (repeated reading) hat erhebliche Effekte auf die Leseflüssigkeit und das Leseverständnis.
Verteiltes Üben besser als massiertes.
Verschachteltes Üben (abcabcabc) besser als (aaabbbccc). (?)
Testeffekt: Für das langfristige Behalten ist es besser, wenn sich Lernende nach einer einmaligen Lese- bzw. Lernphase selbst testen und ihr Wissen prüfen, als wenn sie den zu lernenden Text nochmals lesend durcharbeiten und studieren.
Das eigene Wissen zu testen, stellt somit auch eine wertvolle Lerngelegenheit dar. Darüber, wie sich dieser Testeffekt erklären lässt, liegen unterschiedliche Annahmen vor: Zum einen werden direkte Effekte angenommen, wonach durch das Testen und Abrufen des Wissens die Wahrscheinlichkeit steigt, dass neue Informationen mit der bestehenden kognitiven Struktur verknüpft und dadurch leichter erinnert werden. Zum anderen lassen sich auch indirekte Effekte annehmen, wonach das Testen Wissenslücken bewusst macht und eine Feedbackfunktion beinhaltet.
Es ist unklar, ob immer noch gilt, dass Zeiträume zwischen den Übungseinheiten sukzessive ausgedehnt werden sollen. Aber: je nachhaltiger und länger der Übungsstoff behalten werden soll, desto länger dürfen die Zeiträume zwischen den Übungseinheiten sein (5 Jahre erinnern: Intervall 6-12 Monate; 1 Woche erinnern: 12-24 h)
Overlearning ist fraglich bis nutzlos, vor allem, wenn die Übungsaufgaben keine Variationen und Herausforderungen beinhalten.
Kognitive Aktivierung
"higher order questions“, „higher order thinking“, „challenging tasks“, „thoughtful discourse“, „authentic instruction“ oder "instructional support“
Die Lehrperson kann den Prozess der kognitiven Aktivierung initiieren und befördern, indem sie
- die Lernenden mit kognitiv herausfordernden Aufgaben konfrontiert, zu deren Lösung die Lernenden einen Teil der erforderlichen Informationen selbst generieren, finden und/oder verknüpfen müssen,
- die Lernenden auf Unterschiede in inhaltsbezogenen Ideen, Konzepten, Positionen, Interpretationen und Lösungen aufmerksam macht und Raum gibt, diese zu vergleichen und zu analysieren,
- kognitive Konflikte und Widersprüche induziert,
- die Lernenden anregt, ihre Gedanken, Konzepte, Ideen und Lösungswege darzulegen und zu erläutern,
- anregende und herausfordernde Fragen bzw. Aufgaben stellt, die zu Begründungen, Vergleichen und Verknüpfungen neuer Informationen mit bereits bestehendem Wissen anregen,
- den Erwerb fachbezogener Lernstrategien gezielt fördert und die Lernenden immer wieder anregt, die erworbenen Strategien zu nutzen, und
- allgemein gesprochen eine diskursive Unterrichtskultur pflegt, in der sich die Lernenden intensiv über inhaltliche Konzepte und Ideen austauschen
Die Leseleistungen der Lernenden werden vor allem dann gefördert, wenn die Lehrpersonen die Lernenden zu kognitiv anspruchsvollen Aktivitäten anregten.
Eine spezifische Strategie zur kognitiven Aktivierung stellt die Anregung der Lernenden zum Vergleichen dar. Vergleichen beschreibt eine fundamentale kognitive Aktivität, die häufig mit anspruchsvollen kognitiven Verarbeitungsprozessen einhergeht, Prozesse des Argumentierens und Schlussfolgerns nach sich zieht und zu einem tieferen konzeptuellen Verständnis des Lerngegenstands beiträgt. (Lösungsbeispiele, Lösungsstrategien, Bearbeitungsverfahren, richtig und falsch gelöste Aufgaben, korrekte und inkorrekte Abbildungen oder Probleme miteinander vergleichen, deren Lösungen auf ähnlichen Prinzipien beruhen; alternativ Lösungen zu einer Aufgabe vergleichen, statt zu verschiedenen Aufgaben. )
"Vergleichende Schüler" erwerben höheres Faktenwissen, geben Msskonzepte häufiger auf und entwickeln mehr korrekte Schlussfolgerungen.
Interventionsmaßnahmen in der Literatur s. S. 94 dieser Quelle (das Lernen in Mathematik (z. B. Dreher et al. 2018;
Perels et al. 2005; Werth 2014), für das Lesen (Souvignier und Mokhlesgerami 2006; Philipp und Schilcher 2012), das
Schreiben (z. B. Graham et al. 2005; Glaser und Brunstein 2007; Hanisch 2018) und für das Lernen in den Natur-
wissenschaften (z. B. Labuhn et al. 2008; Leopold und Leutner 2012)
Metakognitive Förderung
Die Befundlage zur Förderung der Metakognition ist vergleichsweise robust: Maßnahmen, die der metakognitiven Förderung der Lernenden dienen, haben nicht nur das Potenzial, den Erwerb von Lernstrategien zu unterstützen, sondern wirken sich darüber hinaus auch auf den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern aus, insbesondere wenn es sich um systematische Trainings handelt (z. B. Maßnahmen, die die Lernenden zur Selbstverbalisierung, Selbsterklärung und Selbstbewertung des eigenen Lernprozesses anregen)
Mathematiklehrpersonen der Klassenstufen 3–8 wurden darin trainiert, ihre Schüler in besonderer Weise metakognitiv zu fördern. So regten die Lehrpersonen die Schülerinnen und Schüler durch die Modellierung des erwünschten Verhaltens immer wieder dazu an, sich selbst zu fragen, worin die Frage bzw. das Problem bei der jeweiligen Aufgabe besteht, ob alle für die Problemlösung erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen und welche Lösungsschritte und welche arithmetischen Operationen ausgeführt werden sollen. Außerdem wurden die Lernenden am Schluss einer Unterrichtseinheit aufgefordert, zu reflektieren, was sie gelernt und was sie über sich in der Auseinandersetzung mit der Bearbeitung des mathematischen Problems erfahren haben. Der Vergleich mit einer Kontrollgruppe von Schülerinnen und Schülern, die traditionell unterrichtet wurden, ergab, dass die metakognitiv geförderten Lernenden – langfristig betrachtet – höhere Leistungszuwächse erzielten, dem Fach Mathematik eine höhere Bedeutung beimaßen und ein höheres mathematikbezogenes Interesse entwickelten als die Lernenden der Kontrollgruppe.
Drei Bedingungen, die metakognitive Förderung im Unterricht erfolgreich machen (Veenman et al.):
- metakognitive Förderung in den Fachunterricht integrieren,
- informieren der Lernenden über den Nutzen metakognitiver Aktivitäten,
- ausführliches und längeres Training
Unterstützendes Unterrichtsklima
uneinheitlich operationalisiert und relativ unklare Forschungsergebnisse. Eine emotional geprägte Lernunterstützung ist jedoch hinsichtlich affektiv-motivationaler Merkmale empfehlenswert.
Innere Differenzierung, Individualisierung, formatives Assessment und Scaffolding als Formen adaptiven Unterrichts
Pädagogik:
Individualisierung: Anpassen von Lernangeboten und -bedingungen an die Voraussetzungen einzelner SuS
Innere Differenzierung: Zuweisung von unterschiedlichen Aufgaben(mengen) , Lernzeitkontingenten oder Unterstützungsangeboten zu Gruppen von Lernenden.
Psychologie:
Adaptiver Unterricht: Unterricht an die Lernvoraussetzungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler anpassen, um deren Lernprozesse zu optimieren (Makro-/Mikroadaptation)
Personalisiertes Lernen mit digitalen Medien am Beispiel von "Teach-to-One:Math"
Digitale Werkzeuge haben insbesondere dann eine hohe Lernwirksamkeit, wenn sie Merkmale lernförderlichen Lehrerverhaltens „nachbilden“ (zum Nachdenken und zur Entwicklung neuer Ideen anregen, Erklärungen der Lernenden diagnostizieren, produktive Lernwege vorschlagen, SuS durch metakognitive Fragen herausfordern, ihr Verständnis zu prüfen
und zu überwachen)
!!!Positiven Wirkungen von Maßnahmen der inneren Differenzierung und Individualisierung sind stärker, wenn diese gekoppelt werden mit
- einer regelmäßigen und lernbegleitenden Diagnostik, bei der die Lernstände und die Lernlücken der Schülerinnen und Schüler fortlaufend erfasst werden => Anpassung des Lernangebotes an die Voraussetzungen des SuS,
- spezifischer Unterstützung, Strukturierung und adaptivem Feedback (Lernstand und Lernfortschritt) sowie
- Maßnahmen der gezielten Förderung von Lernstrategien und selbstgesteuertem Lernen (v. a. Setzen eigener Ziele)
Joplin-Plan: Bildung von leistungshomogenen Gruppen in einem Fach (z. B. im Lesen) bei gleichzeitiger Beibehaltung der leistungsheterogenen Klassenverbände
Keller-Plan: Kellers „Personalized System of Instruction“ (Keller 1968), eine Art programmierter Unterricht: Strukturierung des Lehrstoffs in kleinere Teileinheiten aus, die die Lernenden im eigenen Tempo durcharbeiteten. Eine Bearbeitung der nächsten Teileinheit war erst dann möglich, wenn zuvor ein bestimmtes Wissensniveau erreicht wurde. Trotz der hohen Wirksamkeit geriet der Keller-Plan, ähnlich wie das Konzept des „mastery-learning“, in Vergessenheit. Ausschlaggebend dürfte u. a. gewesen sein, dass diese Art des Unterrichtens einen erheblichen Aufwand für die Lehrperson bedeutet hat (Fox 2004) und dass nicht alle Inhalte so beschaffen sind, dass sie sich in entsprechende Teilinhalte zerlegen lassen.
Konzept der gestuften Lernhilfen: von der Lehrperson strukturierte, aufeinander aufbauende Lösungshinweise in Form von Hilfekärtchen zu Lernaufgaben mit eindeutigen Lösungen, auf die die Lernenden nach Wunsch zurückgreifen können.
Scaffolding
Kernmerkmale
- eine fortlaufende prozessbegleitende Diagnose der Lern- und Verstehensprozesse des einzelnen Schülers oder der Schülergruppe („ongoing diagnosis“),
- eine am Lernstand und an den Lernvoraussetzungen einzelner Schülerinnen und Schüler oder der Lernendengruppe ausgerichtete und kalibrierte Unterstützung der Lehrperson („adaptivity and calibrated support“) und
- die schrittweise Ausblendung der Lehrerunterstützung in enger Verbindung mit einer zunehmenden Kontrolle des eigenen Lernprozesses durch den Lernenden („fading“)
Operationalisierung durch
- gezielte Nachfragen,
- das Stellen diagnostischer Fragen und Aufgaben, welche Auskunft über das Verständnis oder ggf. vorhandene Misskonzepte geben können,
- gezielte Beobachtungen von Schüler-Schüler-Interaktionen durch die Lehrperson,
- Lehrer-Schüler-Gespräche,
- die Konfrontation der Lernenden mit gegenteiligen Meinungen oder Argumenten
- die Fokussierung der Schüleraufmerksamkeit auf relevante Aspekte des Unterrichtsgegenstands.
Formatives Assessment ist eine Maßnahme des Scaffolding: Strategien von Lehrenden zur fortgesetzten, lernprozessbezogenen Diagnostik verstanden, die dazu dienen, Lernstände und Verstehensprozesse der Lernenden offenzulegen und hieraus Impulse (z. B. in Form entsprechender Feedback-, Instruktions- und Unterstützungsmaßnahmen der Lehrperson) zur Optimierung des Unterrichts und zur weiteren Förderung der Lernenden abzuleiten
Effekte von Binnendifferenzierung und Individualisierung auf affektiv-motivationale Variablen sind im Grundschulalter stärker ausgeprägt als später.
Lipowski, 2020
Von Studydrive
Inhaltliche Klarheit und Kohärenz des Unterrichts wirken Verständnisfördernd. Lehrstrategien dazu sind Zusammenfassungen, Hervorhebungen, Unterschiedliche Repräsentationsformen. Sie gehen mit höherer Zufriedenheit einher, da sich der Lernende autonomer und kompetenter fühlt. Höheres Kompetenzerleben führt zu intrinsischer Motivation.
Feedback hat informierende Funktion. Es macht Lernenden Fehler/Misskonzepte bewusst und soll die Diskrepanz aktuell es Verständnis (feed back) zu erreichender Zielzustand (feed up) verringern (Schritte dorthin= feed forward). Einfache Rückmeldung (Richtig/Falsch) ohne Wirkung. Feedback kann zunehmende Anstrengung, höheres Engagement, geringere Unsicherheiten, wachsende Kompetenz bewirken und sich dadurch auf Motivation, Interessen und Selbstwirksamkeit auswirken.
Kooperatives Lernen erfordert soziale Kompetenz, Metakognition und Reflexion. Lernende bauen durch gegenseitigen Austausch neues Wissen auf, Entwickeln neues Verständnis und neue Problemlösungen, die zuvor niemand hatte.
Quelle:unbekannt (studydrive, mehrfach)
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-03
Was sind die Basisdimensionen von Unterrichtsqualität? Welche Wirkungen haben sie und wie werden diese Wirkungen vermittelt?
Statt der früher betrachteten Sicht- oder Oberflächenstruktur befördern eher Merkmale der Tiefenstruktur Lernerfolg und Motivation.
Wichtig: Erfolgreicher Unterricht lässt sich auf unterschiedliche, wenngleich nicht beliebige Weise realisieren.
Verdichtung der Merkmale auf 4 übergeordnete Dimensionen von Unterrichtsqualität
- Zeit zum Lernen
- Kognitiv anspruchsvolle und vertiefte Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand
- Inhaltlich klare und kohärente Behandlung von fachlich relevanten Inhalten
- Unterstützendes Unterrichtsklima

hier: Nutzung = Wirkmechanismen; Wirkung = Ergebnisse
Lipowski, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Was ist professionelle Kompetenz? Welche Teilaspekte der professionellen Kompetenz von Lehrkräften lassen sich unterscheiden? Was sind die lehrerseitigen Voraussetzungen für guten Unterricht?
Professionelle Kompetenz beschreibt die persönlichen Voraussetzungen für die erfolgreiche Bewältigung spezifischer beruflicher Aufgaben. Dabei sind speziell Merkmale gemeint, die veränderbar sind und sich im Verlauf der beruflichen Ausbildung und Karriere weiterentwickeln können. Für Lehrkräfte werden häufig die Kompetenzaspekte Wissen, Überzeugungen, Motivation und selbstregulative Fähigkeiten unterschieden (Kunter et al. 2011a).
Professionelle Kompetenz ist grundsätzlich lern- und vermittelbar.
Modell der Determinaten und Konsequenzen der professionellen Kompetenz von Lehrkräften:

Eignungshypothese = Individuelle Voraussetzungen
Qualifikationshypothese = Lerngelegenheiten
Das Modell versteht Lehrkräfte selbst als Lernende und betont in Anlehnung an andere Angebot-Nutzungsmodelle ihre aktive Rolle im Lernprozess.
(Herausforderung für Lehrkräfte: Schülerinnen und Schüler dazu bewegen, sich aktiv mit Themen auseinanderzusetzen und anstrengende Lerntätigkeiten vorzunehmen, die die Lernenden typischerweise nicht freiwillig gewählt haben.
Anforderungen und Erwartungen: im Zuge der wachsenden Bedeutung von Qualitätssicherungsmaßnahmen (zum Bei-
spiel in Form der Bildungsstandards) muss Diagnostik und Evaluation betrieben werden und die Leistungen der SuS angemessen dokumentiert werden.)
Lipowski, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Wie lässt sich das Professionswissen von Lehrkräften differenzieren?
Wichtige Arten des Lehrerwissens (nach Shulman 1987; Baumert und Kunter 2006)
- Fachwissen („content knowledge“): tiefes Verständnis des zu unterrichtenden Schulstoffs
- Fachdidaktisches Wissen („pedagogical content knowledge“): Wissen darüber, wie fachliche Inhalte durch Instruktion vermittelt werden können
- Allgemeines pädagogisches und psychologisches Wissen („pedagogical knowledge“): Wissen über die Schaffung und Optimierung von Lehr-Lern-Situationen sowie entwicklungspsychologisches und pädagogisch-psychologisches Grundwissen
Bei Lehrkräften sind z. B. das Verständnis für fachliche Sachverhalte oder die Kenntnis verschiedener Methoden deklaratives Wissen, während Wissen darüber, wie bestimmte Methoden angewendet oder disziplinarische Maßnahmen vollzogen werden, Beispiele für prozedurales Wissen sind.
Besonders relevant für eine positive Entwicklung der Lernenden ist das fachdidaktische Wissen der Lehrkräfte!
Forschung zum Lernen in bestimmten fachlichen Domänen, wie etwa zu Fehlvorstellungen in Mathematik und Naturwissenschaften oder zur Wirkung von bestimmten Präsentationsformen, hat eine besondere praktische Relevanz hat und sollte unbedingt in die Lehrerbildung einfließen.
Doch auch genuin psychologische Inhalte sind elementare Bestandteile des Lehrerwissens, denn Wissen über Prinzipien des Lernens, Motivation, Entwicklungspsychologie oder pädagogisch-psychologische Diagnostik sind wichtige Grundlagen für eine erfolgreiche Berufsausübung von Lehrkräften. Studien zeigen, dass solches psychologische Wissen nicht nur hilfreich für eine qualitätvolle Unterrichtsgestaltung ist, sondern auch eine Pufferfunktion gegen Stresserleben einnehmen kann.
Unter Professional Vision versteht man die Anwendung von Wissen, um Unterrichtssituationen angemessen einordnen zu können (Seidel und Stürmer 2014). In der Professional-Vision-Forschung sehen Lehrpersonen Unterrichtsszenen und sollen diese interpretieren. Gefragt wird danach, ob die Lehrenden relevante Ereignisse überhaupt erkennen können und ob sie diese angemessen interpretieren, z. B. indem sie passende Erklärungen für das Geschehen finden und einschätzen können, was vermutlich passieren wird.
Studien zeigen, dass Lehrkräfte im Mittel zwar relativ gut darin sind, die Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler zu beurteilen, dass aber große individuelle Unterschiede zwischen Lehrkräften bestehen. Diagnostische Kompetenz gilt
als eine wichtige Voraussetzung, um Unterricht angemessen planen und durchführen können.
Gerade die jüngsten Veränderungen im Bildungsbereich erfordern von Lehrkräften auch breiteres pädagogisches und psychologisches Wissen, wie etwa Kenntnisse über außerunterrichtliche Fördermaßnahmen, Beratung oder Kooperation – Aspekte, die bisher in der Lehrerbildung nur wenig Platz gefunden haben. Ein zukünftig vermutlich immer wichtiger werdender Aufgabenbereich von Pädagogischen Psychologinnen und Psychologen ist es daher, Lehrkräfte im Aufbau ihres professionellen Wissens in diesen weiterführenden Bereichen zu unterstützen, sei es im Zuge der Lehrerbildung oder durch Trainings und Weiterbildungsmaßnahmen
Lipowski, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-03
Welche unterschiedlichen Aspekte von Überzeugungen und Erwartungen von Lehrkräften sind im Unterricht relevant?
Lehrerüberzeugungen („teacher beliefs“) beinhalten Vorstellungen und Annahmen von Lehrkräften über schul- und unterrichtsbezogene Phänomene und Prozesse mit einer bewertenden Komponente.
Anders als Wissen, welches sich inhaltlich auf Fakten oder Schemata bezieht, repräsentieren die Überzeugungen von Personen deren Meinungen, Bewertungen oder auch subjektive Erklärungssysteme.
Intuitive oder naive Überzeugung: Überzeugung, die auf einer falschen Prämisse beruht.
Die reflektierte Auseinandersetzung mit den eigenen Überzeugungen und die bewusste Überprüfung, inwieweit die eigenen Bewertungssysteme das Handeln möglicherweise einschränken, gelten als eine wichtige Komponente der Professionalität
von Lehrkräften.
Funktionen von Überzeugungen:
- Filterfunktion: Überzeugungen beeinflussen die Wahrnehmung und Interpretation von Ereignissen sowie den Umgang mit neuen Informationen.
- Rahmenfunktion: Überzeugungen bilden einen Rahmen und beeinflussen auf diese Weise, wie bestimmte Unterrichtssituationen eingeordnet und bewertet werden.
- Steuerfunktion: Überzeugungen steuern das Unterrichtsverhalten direkt.
Überzeugungen über das Selbst: Selbstwirksamkeitsüberzeugungen von Lehrkräften
Lehrer-Selbstwirksamkeit: Überzeugungen einer Lehrperson darüber, wie gut es ihr gelingen kann, effektiv zu unterrichten (= Lernen und Verhalten ihrer Schülerinnen und Schüler zu unterstützen und zu fördern, und zwar auch bei vermeintlich schwierigen oder unmotivierten Schülerinnen und Schülern)
Überzeugungen über bestimmte Schülerinnen und Schüler: Lehrererwartungen
Unter dem Erwartungseffekt ("teacher expectation effects") versteht man, dass eine Lehrkraft bestimmte Überzeugungen über das Potenzial einer Schülerin bzw. eines Schülers hat und allein diese Erwartungen dazu beitragen, dass sich die Schülerin bzw. der Schüler so verhält oder Leistungen zeigt, wie die Lehrkraft es erwartet hat. Erwartungseffekte können in positive oder negative Richtungen gehen. (auch Pygmalioneffekt=
Wie entsteht ein Zusammenhang zwischen den Lehrererwartungen und der Leistungsentwicklung von Schülerinnen und Schülern? Es ist plausibel, dass eine Lehrkraft, je nachdem, wie sie über einen bestimmten Schüler denkt, sich diesem Schüler gegenüber auf spezielle Weise verhält. Dabei scheinen vor allem zwei Wirkmechanismen eine besondere Rolle zu spielen, nämlich das sozio-emotionale Klima und das Lernangebot. So scheinen Lehrkräfte die soziale Interaktion mit Schülerinnen und Schülern, von denen sie einen günstigen Eindruck haben bzw. von denen sie zukünftig gute Leistungen erwarten, insgesamt freundlicher und geduldiger zu gestalten. Darüber hinaus werden diese Schülerinnen und Schüler nicht nur häufiger im Unterricht aufgerufen, sondern erhalten auch eher schwierigere Aufgaben, werden somit also stärker herausgefordert.
Besondere Bedeutung dürften Erwartungseffekte auch bei Entscheidungen über Fördermaßnahmen oder Übergangsempfehlungen von Lehrkräften haben
Um in der täglichen Unterrichtspraxis das Auftreten von Erwartungseffekten zu reduzieren, bieten sich Reflexionen des eigenen Unterrichtshandelns in Form von Videofeedback oder Team-Teaching-Methoden an.
Überzeugungen über Lehren und Lernen: Lerntheoretische Überzeugungen
- Informationsverarbeitungsansatz => transmission view: Sender-Empfänger-Modell
- Sozio-Konstruktivistische Lerntheorie => constructivist view: Wissen wird im gemeinsamen Diskurs mit Lehrenden und Lernenden aufgebaut (v. a. individuelle Problemlöse- und Konstruktionsprozesse).
Im Prinzip kann eine Lehrkraft beide Positionen gleichzeitig vertreten. Bei Mathematik scheint der constructivist view günstiger zu sein.
Veränderung von Lehrerüberzeugungen
Es gibt tief verankerte Überzeugungen und neu entwickelte und isolierte Überzeugungen, die sich leichter verändern lassen.
Lern- und schulbezogene Überzeugungen von Lehrkräften entwickeln sich vermutlich vor allem in drei Lerngelegenheiten
- den eigenen Schulerfahrungen,
- der formalen Ausbildung und
- den eigenen persönlichen Erfahrungen.
Lipowski, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-03
Welche Rolle spielen motivationale Merkmale im Lehrerberuf?
Berufswahlmotive
subjektiv hohe Bedeutsamkeit der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen
FEMOLA: Vergleiche zwischen Lehramtsstudierenden des Gymnasiums und der Realschule wiesen darauf hin, dass angehende Gymnasiallehrkräfte in stärkerem Maße fachliche Interessen als Studienwahlmotiv angaben, während die zukünftigen Realschullehrkräfte höhere Ausprägungen auf den Skalen „geringe Schwierigkeit“ und „Nützlichkeitsaspekte“ aufwiesen.
Enthusiasmus (= begeistert und motiviert) => hohe Unterrichtsqualität / emotionale Ansteckung
Zielorientierungen
Leistungszielorientierung („performance approach“) - in leistungsthematischen Situationen vor allem Fokussierung des relativen Leistungsstand im Vergleich zu anderen Personen
Lernzielorientierung („mastery approach“) - in leistungsthematischen Situationen eher Möglichkeit des Lernens und Erreichens von selbstgesetzten Standards.
Lehrkräfte mit einer Lernzielorientierung sehen berufliche Herausforderungen (z. B. schwierige Unterrichtssituationen) als Chance für berufliche Weiterentwicklung; sie zeigen ein günstigeres Unterrichtsverhalten und engagieren sich insgesamt mehr in ihrem Beruf.
Lipowski, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-03
Welche Bedeutung kommt dem Beanspruchungserleben von Lehrkräften zu?
Belastungen sind berufsbezogene Umweltfaktoren, die auf die Person einwirken und zu positiven oder negativen Reaktionen führen können. Unterschieden wird zwischen objektiven Belastungen (psychophysiologisch nachweisbare Umweltmerkmale wie z. B. Lärm oder organisatorische Strukturen) und subjektiven Belastungen (individuelle Wahrnehmung und Interpretation von Umweltbedingungen).
Bei Beanspruchung handelt es sich um individuelle Reaktionen auf Belastungen; unterschieden werden kann zwischen kurzfristigen Beanspruchungsreaktionen (z. B. positives/negatives Empfinden, verminderte Konzentration) und langfristigen Beanspruchungsfolgen (chronischer Stress, Burnout).
Unter Burnout versteht man langfristige Beanspruchungsfolgen; Burnout ist ein psychologisches Syndrom, welches durch die Symptome emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung und ein Gefühl verminderter Leistungsfähigkeit gekennzeichnet ist.
Burnout wird mit dem MBI - Maslach Burnout Inventory - diagnostiziert mit 3 Kernsymptomen:
- emotionale Erschöpfung (Gefühle der emotionalen Überforderung und der Ermüdung, z. B. „Am Ende des Schultages fühle ich mich erledigt.“)
- Depersonalisierung (zunehmend zynische und negative Einstellung, vor allem bezogen auf die Schülerinnen und Schüler, z. B. „Ich glaube, ich behandle Schüler zum Teil ziemlich unpersönlich.“).
- wahrgenommener Leistungsmangel (Gefühl der verminderten Leistungsfähigkeit ab, z. B. „Ich fühle mich voller Tatkraft“, umgepoltes Item).
Die berufliche Situationen werden vor allem dann von Personen als belastend empfunden, wenn es ihnen an Ressourcen mangelt, um die Situation angemessen bewältigen zu können. Dabei wird zwischen personalen Ressourcen (z. B. Fähigkeiten oder Strategien) und sozialen Ressourcen (z. B. Unterstützung durch Kollegen) unterschieden.
Wichtig ist, dass Lehrkräfte nicht ausschließlich als Opfer ihrer Arbeitsbedingungen betrachtet werden, sondern ihnen eine aktive Rolle bei der Mitgestaltung ihrer Belastungssituation zugeschrieben wird.
Im Rahmen des Ansatzes der persönlichen Ressourcen kommt auch der Selbstwirksamkeitserwartung eine Bedeutung zu. Lehrkräfte, die der Überzeugung sind, kompetent handeln zu können, haben anscheinend bessere Stressbewältigungsstrategien und erleben eine höhere Berufszufriedenheit. Als weitere persönliche Ressourcen werden internale Kontrollüberzeugungen, schulisches Engagement und sinnvoll erlebte außerschulische Tätigkeit oder realistische
Erwartungen an den Beruf diskutiert.
Besonders belastend:
- institutionelle Faktoren, wie etwa hohe Arbeitsbelastungen durch große Klassen,
- heterogene Leistungsniveaus in den Klassen,
- schwierige Schüler,
- hohe Lärmpegel
- hohe Stundenbelastungen
- fehlende Unterstützung durch die Eltern und die Gesellschaft
- Erleben von Fremdbestimmung durch Verbürokratisierung, Verrechtlichung und bildungspolitische Maßnahmen
Dennoch berichten viele Lehrkräfte, ihren Beruf gerne und mit Freude auszuüben – trotz teilweise ungünstiger schulischer Bedingungen.
Lipowski, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-03
Wie lässt sich die professionelle Kompetenz von Lehrkräften fördern?
Drei Phasen der Lerngelegenheiten:
- Universitätsstudium
Theoretisches Grundlagenwissen im Fach, ferner ca. 12 % Bildungswissenschaften (s. u.)
Lernen und Lehren,
Entwicklung und Erziehung in sozialen Kontexten,
pädagogisch-psychologische Diagnostik und Evaluation sowie
Intervention und Beratung
- Vorbereitungsdienst
so nur in Deutschland existent.
"Praxisschock": Schwierigkeiten bei der Klassenführung, angemessenem Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft, Unsicherheiten im Umgang mit Eltern, Problemen bei der Zusammenstellung von Unterrichtsmaterialien oder Schwierigkeiten, angemessen auf individuelle Schülerprobleme einzugehen
- Spätere Fortbildungen im Beruf
Kontinuierliche Fortbildung ist zwar als Dienstpflicht für Lehrkräfte vorgeschrieben, doch ist der zeitliche Mindestumfang nur in wenigen Bundesländern explizit geregelt.
Bsp.: „Kompetenzen des Klassenmanagements (KODEK)“, AGIL „Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf“
Viele Fortbildungen werden von Lehrkräften oft als hilfreich bewertet, doch findet die Umsetzung des neu Gelernten im Unterricht nur selten statt und Effekte auf die Schüler sind selten zu beobachten.
Fortbildungen, die nur auf die Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten ausgerichtet sind, ohne dass Lehrkräfte angeregt werden, ihre bisherigen Praktiken und Überzeugungen zu hinterfragen, sind wenig effektiv.
Lehrerfortbildungen vor allem dann erfolgreich sind, wenn sie sich auf fachbezogene Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern beziehen, die Lehrkräfte dazu anregen, sich aktiv mit den Fortbildungsinhalten auseinanderzusetzen, und sich die Fortbildungen über einen längeren Zeitraum erstrecken.
Unter den Bildungswissenschaften werden im Rahmen der Lehrerbildung die universitären Disziplinen zusammengefasst, die den fachunabhängigen Teil des Lehramtsstudiums ausmachen, also in der Regel Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie.
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-04
(Weitere Erkenntnisse zu Unterricht)
Personalisiertes Lernen
v. a. im englischen Sprachraum; Begegnung der Heterogenität der Lernenden durch adaptive, auf einzelne Lernende abgestimmte Aufgaben und Instruktionen. In Verbindung mit dem Einsatz digitaler Medien scheint dies lernförderlich zu sein.
Direkte Instruktion (lehrergelenkter Unterricht, der durch klare Zielvorgaben, die verständliche Darstellung von Inhalten, ein schrittweises Vorgehen, Lehrerfragen mit unterschiedlicher Schwierigkeit, Phasen angeleiteten und selbstständigen Übens, häufiges Lehrerfeedback und eine regelmäßige Überprüfung der Lernfortschritte der Lernenden charakterisiert ist )
Indirekte Instruktion (Lernenden strukturieren den Unterrichtsgegenstand und das Lernmaterial partiell selbst, transformieren oder konstruieren; geringere Lehrerlenkung;
entdeckendes Lernen („discovery learning“), forschendes Lernen („inquiry based learning“), problemorientiertes Lernen, offene Unterrichtsformen und konstruktivistisch-
orientierte Lernumgebungen)
Direkte Instruktion ist häufig lernwirksamer und ökonomischer als Formen indirekter Instruktion, insbesondere dann, wenn die Lernenden über geringere Lernvoraussetzungen verfügen. Aber:
Es setzt sich gegenwärtig immer stärker die Auffassung durch, dass Formen indirekter Instruktion auf der einen Seite und Formen direkter Instruktion auf der anderen Seite komplementäre Ansätze sind, die es auf geschickte Art und Weise zu verbinden gilt.
Produktives Scheitern (productive failure)
Eine der Instruktion vorgeschaltete induktive Problemlösephase, in der die Lernenden z. B. in kleinen Gruppen an der Lösung
eines unbekannten Problems arbeiten, kann zu einem höheren Lernerfolg beitragen als die häufig im Unterricht anzutreffende
umgekehrte Reihenfolge der Phasen (erst eine lehrergelenkte Einführungsphase in direkter Instruktion, dann die Aufgabenbearbeitung in einer Schülerarbeitsphase).
Bedingung für die positiven Effekte des produktiven Scheiterns:
- in der Phase der Problembearbeitung werden Fälle (Probleme, Beispiele) verglichen und/oder
- in der anschließenden Instruktionsphase werden die von den Lernenden entwickelten – häufig unvollständigen oder fehlerhaften – Lösungswege bzw. Lösungen aufgegriffen und mit korrekten Lösungswegen bzw. dem richtigen Ergebnis kontrastiert.
Lipowski, 2020
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-02
Bildungspsychologie » Bildungspsychologie Grundlagen » Lernen mit neuen Medien
Welche Formen der Interaktivität lassen sich in computerbasierten Lernprogrammen unterscheiden?
- Drill and Practice:
ereits Gelerntes zu festigen und zu wiederholen (Üben); die Übungsaufgaben sind kleinschrittig und sehr spezifisch. Die Rückmeldung erfolgt unmittelbar und beschränkt sich meist auf eine „richtig/falsch“-Bewertung.
- Tutorielle Programme:
Sachverhalte und Zusammenhänge verstehen; die Möglichkeiten der flexiblen Präsentation (z. B. Text, Grafiken, Animationen, gesprochene Sprache, Video) werden genutzt.
- Intelligente tutorielle Systeme bzw. kognitive Tutoren:
Prozedurale Regeln erwerben/korrigieren; streben eine differenzierte Wissensdiagnose des Lernenden an, um gezielt Informationen, Instruktionen und Übungen bereitzustellen. Dafür ist eine kognitive Modellierung des Wissensgebietes erforderlich. Prozeduralen Regeln und deklarativen Elementen wandeln sich im Lernprozess durch Neuerwerb, Automatisierung, Strategiewechsel, Fehlerkorrektur, Hinzufügen deklarativer Elemente etc. Ein Beispielen für funktionierende adaptive Lernprogramme ist der Cognitive Tutor (z. B. Ritter, Anderson, Koedinger & Corbett, 2007), der auf Basis einer ACT-R-Modellierung (vgl. Kap. 4) Lernende beim Lösen algebraischer Umformungen adaptiv unterstützt.
- Hypertext und Hypermedia:
Nachschlagen, Recherchieren
- Simulationen und Mikrowelten:
Training/Automatisierung und Situiertes Lernen/Problemlösen in komplexen Umgebungen
Die meisten heute gebräuchlichen computerbasierten Lernprogramme sind tutorielle Programme und/oder Drill-and-Practice-Programme.
Brünken, Münzer & Spinath, 2019
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-08
Was besagt die Theorie der kognitiven Belastung?
Theorie der kognitiven Belastung (Cognitive Load Theory, CLT): „Jedes Instruktionsdesign, das Arbeitsgedächtnisbeschränkungen ignoriert, ist unzulänglich“
Das Verhältnis zwischen der Menge der neu dargebotenen Informationen bzw. ihrer Zusammenhänge und der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses spielt eine zentrale Rolle für den Lernerfolg.
- intrinsische kognitive Belastung, die auf die Komplexität (= Menge an Bezügen zwischen den Elementen, die mental konstruiert werden müssen, um die Lernaufgabe erfolgreich bearbeiten zu können = Element-Interaktivität) des Lerninhalts zurückgeht (intrinsic cognitive load, ICL); Passendes Vorwissen reduziert ICL;
- irrelevante kognitive Belastung, die auf die äußerliche Gestaltung des Instruktionsmaterials zurückgeht und das Lernen unnötigerweise behindert (extraneous cognitive load, ECL); aufeinander bezogene Elemente sind im Lernmaterial schwierig aufzufinden oder es gibt im Lernmaterial unnötige zusätzliche Informationen gibt;
- relevante, auf das Lernen bezogene kognitive Belastung, die vom Lernenden zum Verständnis des Inhalts investiert wird (germane cognitive load, GCL; das englische Wort germane bedeutet hier so viel wie „relevant, wirklich, wahr“); Lernende strengen sich an, Zusammenhänge zwischen Informationen zu verstehen (z. B. nachdenken, rechnen, vergleichen, ordnen, erneut lesen, sich selbst erklären, elaborieren, zusammenfassen, wiederholen etc.).
Ziel von Instruktionen und der Gestaltung von Lernmaterialien ist es, lernförderliche Prozesse anzuregen und zu unterstützen. Z. B. Hinweise auf verständnisfördernde Aktivitäten (z. B. „Versuche dir zu erklären, warum diese Umformung zu diesem Ergebnis geführt hat“ oder „Erstelle eine Zeichnung mit den wesentlichen Konzepten und ihren Relationen“).
Brünken, Münzer & Spinath, 2019
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-08
Was besagt die kognitive Theorie multimedialen Lernens?
Die kognitive Theorie multimedialen Lernens (Cognitive Theory of Multimedia Learning, CTML; Mayer, 2005) beschreibt das Lernen aus Texten und Bildern. Sie orientiert sich am Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley (phonologischer und visuell-räumliche Kurzzeitspeicher).
Codes: Informationen können verbal (sprachlich) kodiert sein oder visuell-räumlich (z. B. in Bildern und Grafiken).
Modalitäten: Informationen können über die visuelle Modalität (Sehen) oder über die auditive Modalität (Hören) aufgenommen werden.
Aus Sicht der kognitiven Theorie multimedialen Lernens erscheint es sinnvoll, die visuelle Modalität (Sehen) für räumlich und bildhaft kodierte Inhalte zu nutzen, während die auditive Modalität (Hören) für verbal kodierte Inhalte (Sprache) genutzt werden kann.

Zwei Kanäle Die auditive Modalität kann für die Übermittlung von sprachlicher Information genutzt werden, und gleichzeitig die visuelle Modalität für die Übermittlung von visuell-räumlicher Information. Das Langzeitgedächtnis enthält zusätzlich bildhafte und räumliche Informationen (dual coding).
Kapazitätsbegrenzung
Aktive Verarbeitung/Lernprozesse: Selektion, Organisation, Integration
Brünken, Münzer & Spinath, 2019
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-12
Was ist der Multimediaeffekt und wie lässt er sich erklären?
Präsentation, die aus visuell-räumlicher Information zusammen mit darauf bezogener sprachlicher Information besteht, ermöglicht ein vertiefteres Verständnis für Zusammenhänge als eine Präsentation, die entweder nur aus Text oder nur aus Bildern besteht.
Wird mit Texten und Bildern gelernt, so sollte sich dies folglich sowohl in einem verbalen mentalen als auch in einem bildhaften mentalen Modell niederschlagen, die zu einem integrierten mentalen Modell zusammengeführt werden können.
Die typischen Multimedia-Präsentationen sind kurz (zwei bis fünf Minuten, 200 bis 500 Wörter) und behandeln naturwissenschaftliche und technische Themen. Die gezeigten Bilder haben eine wichtige Lernfunktion und zeigen relevante räumliche Strukturen, Zusammenhänge und Veränderungen am Lerngegenstand.
Brünken, Münzer & Spinath, 2019
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-08
Welche Designprinzipien sollten bei der Gestaltung von Lernumgebungen befolgt werden und wie lassen sie sich theoretisch begründen?
Reduzierung irrelevanter kognitiver Belastungen
- Suchprozesse zwischen Elementen reduzieren (wg. verteilter Aufmerksamkeit)
Liegt die sprachliche Information als Text vor und bezieht sie sich auf eine Abbildung (z. B. ein Diagramm oder ein Schaubild), so müssen die zu verbindenden Informationen oft in verschiedenen Teilen (Text, Bild) der Präsentation „zusammengesucht“ werden. Diese Suchprozesse führen zu irrelevanter kognitiver Belastung. Während des Suchens geraten lernrelevante, zuvor aktivierte Elemente in den Hintergrund.
- Wahrung des räumlichen sowie ein zeitlichen Kontiguitätsprinzip: Zusammen gehörende Informationen sollten so nah beieinander wie möglich präsentiert werden.
- räumlich (integierte Formate):
- alle Beschriftungen im Schaubild räumlich direkt bei den Elementen zu zeigen (anstatt diese in der Abbildung mit Nummern zu versehen und eine nummerierte Liste separat zu präsentieren)
- Erläuterungen zu Abläufen in einem Schaubild direkt an den relevanten Positionen zu platzieren, anstatt die Abläufe separat in einem Text zu schildern
- Formeln, aus denen sich eine Grafik ergibt, direkt in die relevanten Stellen der Grafik zu setzen
- zeitlich
Synchronisation von gesprochener Sprache zu Bildern oder Animationen in Multimedia-Präsentationen.
- Text gesprochen (Audio) darbieten, wenn mit Bild verknüpft (Modalitätseffekt)
Sprache (verbale Information): entweder auditive Modalität (gesprochen) oder visuelle Modalität (geschrieben)
Gesprochener Text ist besser als geschriebener Text, wenn die Lerneinheit aus Bildern und Text besteht.
Aber:
Verwendet man ein „integriertes“ Format, so verschwindet häufig die Überlegenheit von gesprochenem gegenüber geschriebenem Text.
Einflüsse von Lernzeit, Lernerkontrolle und Textlänge:
Wenn Lernende Kontrollmöglichkeiten haben und sich ausreichend viel Zeit zum Lernen nehmen können, verschwindet der Vorteil von gesprochenem gegenüber geschriebenem Text und kehrt sich gegebenenfalls sogar um.
Ferner zeigt sich, dass ein geschriebener Text besser verarbeitet und gelernt werden kann als ein gesprochener Text, wenn es sich um lange Lerneinheiten handelt. Bei längeren, informationsreichen Texten stehen andere Zugänge und Lernstrategien (Überblick verschaffen, die konzeptuelle Struktur verstehen, Informationen reduzieren und zusammenfassen, Informationen auf höherem Abstraktionsgrad organisieren) im Vordergrund als bei kürzeren Multimedia-Präsentationen, bei denen ein begrenzter Zusammenhang thematisiert wird.
- Redundanz vermeiden
CLT: Redundanz = irrelevante Belastung, denn die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses wird mit redundanter Information unnötig verringert.
Text nicht geschrieben und gesprochen darbieten.
Aber: Stichwörter und Untertitel (in Fremdsprachen) sind hilfreich.
- Kohärenz als relevante Darbietung - auf interessante, aber unwichtige Information verzichten
Lernhinderlich wird die irrelevante Information, wenn sie von den relevanten Informationen ablenkt, die tiefere Verarbeitung der relevanten Informationen behindert und Prozesse der Selektion, Organisation und Integration stört. Mit Kohärenz ist hier also die in sich geschlossene Darbietung der relevanten Informationen gemeint.
- Kohärenz zwischen Bild und Text
sinnstiftende Verbindung zwischen Informationen aus unterschiedlichen Repräsentationen (Text, Bild)
- Signalisierung
Beziehungen zwischen Elementen hervorheben (z. B. durch Hervorhebung, räumliche Gliederung, Einsatz von Farben zur Markierung von Zusammengehörigkeit)
- Selektion: Hervorheben relevanter Bereiche in Bildern und durch Fettdruck von Schlüsselwörtern
- Organisation: Markierung von Reihenfolgen und von kausalen Zusammenhängen (z. B. durch Pfeile) in Bildern
- Integration: Zeigen von Zusammenhängen zwischen Elementen in Bild und Text (z. B. durch Farben, durch „integrierte“ Formate)
Brünken, Münzer & Spinath, 2019
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-14
Was besagt das integrative Modell des Text- und Bildverstehens?
Es betont die verständnisstiftenden, aktiven Verarbeitungsprozesse, die bei Texten, Bildern und Diagrammen ausgeführt werden. Zwischen den mentalen Modellen können Transformationen ablaufen.

Semantische Text-Repräsentation (Propositionen):
Textverstehen bedeutet, den Sinnzusammenhang aus den dargebotenen Symbolen mithilfe von syntaktischen Regeln und der semantischen Zusammenhänge zu konstruieren und die sprachliche Oberfläche in eine mentale Repräsentation zu überführen. Diese besteht aus Propositionen (bedeutungstragende semantische Einheiten). Auf der Ebene des Textes muss sowohl eine lokale Kohärenz (syntaktisches und semantisches Verständnis von Sätzen) als auch eine globale Kohärenz (Erkennen von Zusammenhängen, Unter- und Überordnungen, Bedeutungen, kausalen Wirkungen etc. in größeren Abschnitten) aufgebaut und aktiviert gehalten werden.
Je mehr Vorwissen zu den relevanten Schemata im Langzeitgedächtnis aktiviert werden kann, desto besser.
Die Wissenskonstruktion besteht aus sich ergänzenden Top-down- und Bottom-up-Prozessen
Bilder
- Abbilder: von realen Gegenständen/realistisch
Ein Abbild kann allerdings auch tiefergehend semantisch analysiert werden. Bewusste, sequenzielle Verarbeitungsprozesse entnehmen dem Abbild bedeutsame Informationen und überführen sie in eine propositionale Form (z. B. Erkenntnisse zu räumlichen Verhältnissen, Konstruktionsmerkmalen, mögliche Veränderungen durch
kausale Wirkungen etc.)
- Diagramme für Beziehungen in Daten
erlauben das Erfassen von Verhältnissen, Unterschieden, Zusammenhängen zwischen visualisierten Elementen (Daten, Mittelwerten etc.) durch räumliche Verhältnisse (z. B. größer als, übergeordnet – untergeordnet).
Abbilder wie Diagramme unterliegen einer präattentiven, „automatischen“ (und schnellen) Verarbeitung der visuell-räumlichen Informationen. Um ein Abbild oder ein Diagramm jedoch wirklich zu verstehen, ist eine zielgerichtete, aufmerksame Verarbeitung notwendig!
In einer späteren Fassung (Schnotz, 2005) ist das Modell entlang (1) sensorischer Repräsentationen, (2) Repräsentationen im Arbeitsgedächtnis und (3) Repräsentationen im Langzeitgedächtnis strukturiert worden. Außerdem wurde es um detailliertere Annahmen zu Prozessen und Zwischenrepräsentationen (sensorische Repräsentationen, spezielle Kodierungen im Arbeitsgedächtnis) ergänzt, u.a. um die Prozesswege für visuell vs. auditiv dargebotenen Text aufzuschlüsseln. Es ist damit der kognitiven Theorie multimedialen Lernens ähnlicher geworden.
Brünken, Münzer & Spinath, 2019
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-14
Welchen Einfluss haben Emotionen bei Lernen mit Medien?
in Arbeit: das CATLM - Cognitive-Affective Theory of Learning with Media
Emotionen sind komplexe, multidimensionale Phänomene, welche affektive, kognitive, expressive und physiologische Facetten haben
Positive Wirkung von dekorativen zusätzlichen Bildern wirken nur positiv auf den Lernerfolg bei jenen Lernenden, die bereits über ein hohes Vorwissen verfügen.
Irrelevante Gedanken durch Emotionen: Die Verarbeitung von Emotionen beansprucht kognitive Ressourcen, die nicht mehr für Lernprozesse zur Verfügung stehen.
Unterschiedliche Studienergebnisse zur Wirkung von Emotionen:
Die Gruppe, die mit dem emotional gestalteten Lernmaterial gelernt hatte, wies eine bessere Verständnis- und Transferleistung auf als die Gruppe mit dem neutralen Lernmaterial.
Regulation negativer Stimmung durch konzentriertes Lernen?
Überraschend wies hier die Gruppe mit negativer Emotion die besten Lernerfolgswerte im Verständnis- und Transfertest auf, die Gruppe mit positiver Emotion die schlechtesten Werte. Beobachtungen aus Prozessmaßen (Blickbewegungen) deuteten bei der Gruppe mit negativen Emotionen auf eine stärker fokussierte Aufmerksamkeit und auf eine detailliertere Informationsverarbeitung.
Brünken, Münzer & Spinath, 2019
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-14
Was besagt die ATI-Hypothese im Zusammenhang mit Multimedialernen und welche Eigenschaften von Lernenden sind hier bedeutsam?
Wechselwirkungen (I - Interactions) zwischen Lernereigenschaften (A - Aptitudes) und instruktionalen Maßnahmen (T - Treatments) beim Lernen mit Multimedia

Theoretisch angenommene Wechselwirkungen (Interaktionen) zwischen Lernereigenschaft (hier: Fähigkeit) und Instruktion (Treatment = optimale Instruktion vs. Kontrolle = weniger optimale Instruktion). Im ersten Fall steigert die höhere Fähigkeit die Wirkung der optimalen Instruktion (ability-as-enhancer, a). Im zweiten Fall kompensiert die höhere Fähigkeit die weniger optimale Instruktion (ability-as-compensator, b).
Vorwissen
Unterstützende, gliedernde und anleitende instruktionale Maßnahmen, die für Novizen in einer Domäne lernwirksam sind, sind unter Umständen nicht mehr wirksam, wenn Lernende bereits Vorwissen in die Lernsituation mitbringen. Relative Lernzuwächse verschwinden oder sind sogar kleiner, wenn Lernende mit Vorwissen Lernmaterialien mit Unterstützungsfunktionen erhalten, als wenn sie mit reduziertem Material lernen (= Expertise-Reversal-Effekt, wobei mit „Expertise“ nicht ein bestimmtes (hohes) Kompetenzniveau gemeint ist, sondern ein (erhebliches) spezifisches Vorwissen, das in die aktuelle Lernsituation eingebracht wird.)
Eine integrierte Darstellung von erläuterndem Text und einem Diagramm ist für Lernende ohne Vorwissen hilfreich; für Lernende mit Vorwissen erwies es sich hingegen als besser, die Schaltkreis-Zeichnungen ohne Text zur Verfügung zu stellen.
Lernende ohne Vorwissen, die Beispielprobleme lösen sollen, erfahren eine zu hohe Belastung des Arbeitsgedächtnisses, weil sie noch nicht über teil automatisierte Problemlöseprozeduren verfügen. Für sie ist es besser, sich mit ausgearbeiteten Lösungsbeispielen auseinanderzusetzen. Bei Lernenden, die bereits über Vorwissen verfügen, verschwindet dieser Effekt.
Für Lernende mit Vorwissen ist es demnach besser, Beispielprobleme selbst zu lösen.
Vorwissen (darin enthaltene Schemata) steuert Aufmerksamkeitslenkung, Informationsaufnahme, Ausführung von Problemlöseschritten, das Zwischenspeichern von Resultaten, das Verknüpfen neuer Informationen mit Wissenselementen im Langzeitgedächtnis und den späteren Abruf aus dem Langzeitgedächtnis.
Kognitiver Stil
= Lernpräferenzen: "Verbalizer" und "Visualizer" - Bevorzugung hat weniger mit psychometrisch messbaren kognitiven Fähigkeiten zu tun, sondern geht eher auf stabile Vorlieben, strategische Herangehensweisen und auf Gewöhnung zurück.
Verbale vs. visuell-räumliche Lernpräferenz ist jedoch ohne Wirkung auf den Lernerfolg beim Lernen mit Multimedia. Beide Personengruppen lernten besser, wenn das Lernmaterial auch visuelle Repräsentationen enthielt (Bedingung „Bild“), als wenn es ausschließlich textbasiert war (Bedingung „Text“).
Aus diesem Ergebnis kann durchaus der Schluss gezogen werden, dass es wichtiger ist, das Lernmaterial gemäß den domänenspezifischen Anforderungen aufzubereiten als auf den kognitiven Stil der Lernenden Rücksicht zu nehmen.
In einem Übersichtsartikel kommen Riding und Cheema (1991) allerdings zu dem Schluss, dass sich die vielen vorgeschlagenen kognitiven Stile zu zwei wesentlichen Dimensionen ordnen lassen: zu einer Dimension, die eine Neigung zu einer ganzheitlichen vs. zu einer analytischen Informationsverarbeitung beschreibt und zu einer weiteren Dimension, die eine Neigung zur verbalen vs. zur visuell-räumlichen Informationsverarbeitung beschreibt.
Messung des kognitiven Stils einer Person: v. a. durch Selbstauskünfte
Brünken, Münzer & Spinath, 2019
Verfasser: Dr. Jutta Zingler
Letzte Änderung: 2023-05-14