Welche unterschiedlichen Aspekte von Überzeugungen und Erwartungen von Lehrkräften sind im Unterricht relevant?

Lehrerüberzeugungen („teacher beliefs“) beinhalten Vorstellungen und Annahmen von Lehrkräften über schul- und unterrichtsbezogene Phänomene und Prozesse mit einer bewertenden Komponente.

Anders als Wissen, welches sich inhaltlich auf Fakten oder Schemata bezieht, repräsentieren die Überzeugungen von Personen deren Meinungen, Bewertungen oder auch subjektive Erklärungssysteme.

Intuitive oder naive Überzeugung: Überzeugung, die auf einer falschen Prämisse beruht.

Die reflektierte Auseinandersetzung mit den eigenen Überzeugungen und die bewusste Überprüfung, inwieweit die eigenen Bewertungssysteme das Handeln möglicherweise einschränken, gelten als eine wichtige Komponente der Professionalität
von Lehrkräften.

Funktionen von Überzeugungen:

  • Filterfunktion: Überzeugungen beeinflussen die Wahrnehmung und Interpretation von Ereignissen sowie den Umgang mit neuen Informationen.
  • Rahmenfunktion: Überzeugungen bilden einen Rahmen und beeinflussen auf diese Weise, wie bestimmte Unterrichtssituationen eingeordnet und bewertet werden.
  • Steuerfunktion: Überzeugungen steuern das Unterrichtsverhalten direkt.

Überzeugungen über das Selbst: Selbstwirksamkeitsüberzeugungen von Lehrkräften

Lehrer-Selbstwirksamkeit: Überzeugungen einer Lehrperson darüber, wie gut es ihr gelingen kann, effektiv zu unterrichten (= Lernen und Verhalten ihrer Schülerinnen und Schüler zu unterstützen und zu fördern, und zwar auch bei vermeintlich schwierigen oder unmotivierten Schülerinnen und Schülern)

Überzeugungen über bestimmte Schülerinnen und Schüler: Lehrererwartungen

Unter dem Erwartungseffekt ("teacher expectation effects") versteht man, dass eine Lehrkraft bestimmte Überzeugungen über das Potenzial einer Schülerin bzw. eines Schülers hat und allein diese Erwartungen dazu beitragen, dass sich die Schülerin bzw. der Schüler so verhält oder Leistungen zeigt, wie die Lehrkraft es erwartet hat. Erwartungseffekte können in positive oder negative Richtungen gehen. (auch Pygmalioneffekt=

Wie entsteht ein Zusammenhang zwischen den Lehrererwartungen und der Leistungsentwicklung von Schülerinnen und Schülern? Es ist plausibel, dass eine Lehrkraft, je nachdem, wie sie über einen bestimmten Schüler denkt, sich diesem Schüler gegenüber auf spezielle Weise verhält. Dabei scheinen vor allem zwei Wirkmechanismen eine besondere Rolle zu spielen, nämlich das sozio-emotionale Klima und das Lernangebot. So scheinen Lehrkräfte die soziale Interaktion mit Schülerinnen und Schülern, von denen sie einen günstigen Eindruck haben bzw. von denen sie zukünftig gute Leistungen erwarten, insgesamt freundlicher und geduldiger zu gestalten. Darüber hinaus werden diese Schülerinnen und Schüler nicht nur häufiger im Unterricht aufgerufen, sondern erhalten auch eher schwierigere Aufgaben, werden somit also stärker herausgefordert.

Besondere Bedeutung dürften Erwartungseffekte auch bei Entscheidungen über Fördermaßnahmen oder Übergangsempfehlungen von Lehrkräften haben

Um in der täglichen Unterrichtspraxis das Auftreten von Erwartungseffekten zu reduzieren, bieten sich Reflexionen des eigenen Unterrichtshandelns in Form von Videofeedback oder Team-Teaching-Methoden an.

Überzeugungen über Lehren und Lernen: Lerntheoretische Überzeugungen

  • Informationsverarbeitungsansatz => transmission view: Sender-Empfänger-Modell
  • Sozio-Konstruktivistische Lerntheorie => constructivist view: Wissen wird im gemeinsamen Diskurs mit Lehrenden und Lernenden aufgebaut (v. a. individuelle Problemlöse- und Konstruktionsprozesse).

Im Prinzip kann eine Lehrkraft beide Positionen gleichzeitig vertreten. Bei Mathematik scheint der constructivist view günstiger zu sein.

Veränderung von Lehrerüberzeugungen

Es gibt tief verankerte Überzeugungen und neu entwickelte und isolierte Überzeugungen, die sich leichter verändern lassen.

Lern- und schulbezogene Überzeugungen von Lehrkräften entwickeln sich vermutlich vor allem in drei Lerngelegenheiten

  1. den eigenen Schulerfahrungen,
  2. der formalen Ausbildung und
  3. den eigenen persönlichen Erfahrungen.

Lipowski, 2020

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