Welche Gedächtnismodelle sind für das Lernen relevant und welche Merkmale kennzeichnen sie?

Funktion des Gedächtnis:

  • Informationsverarbeitung
    • Umwandlung eines sensorischen Reizes in kognitiv weiterverarbeitbare Information
    • Auswahl und Verknüpfung von Informationen
    • Konstruieren bedeutungshaltiger kognitiver Strukturen
  • Speicherung von Information
    • dient der (späteren) Verfügbarkeit von Informationen
    • Prozesse der Informationsverarbeitung (Wiederholen, Verknüpfung mit Vorwissen) erhöhen Abrufwahrscheinlichkeit bzw. Transferfähigkeit.
  1. Mehrspeichermodell (Atkinson und Shiffrin, 1968)
    serielle Schaltung von drei Speichern:
    • Ultrakurzzeitspeicher (= sensorischer Speicher):
      Zwischenspeicher für nahezu unbegrenzt viele Informationen für 0,1-10 Sekunden;
      Weiterverarbeitung nur, falls Aufmerksamkeit zuteil wird.
    • Kurzzeitspeicher (= Arbeitsgedächtnis; Flaschenhals)
      Magical number seven (Miller, 1956): 7+/-2 Informationen (inter- und intraindividuell unterschiedlich) können unter Zugriff auf Vorwissen kategorisiert werden.
      Wiederholung/aktive Verarbeitung
      => Erhöhung der Verweilzeit im Kurzzeitspeicher
      => Erhöhung der Wahrscheinlichkeit der Übertragung in den Langzeitspeicher
      Interindividuelle Unterschiede sind vergleichsweise stabil.
      • Personen mit hoher (Kurzzeit-)Speicherkapazität halten viele Informationen für kurze Zeit verfügbar.
      • Personen mit hoher Verarbeitungs-/Arbeitsgedächtnis-Kapazität
        • verarbeiten neue Informationen und ziehen Schlussfolgerungen,
        • lenken ihre Aufmerksamkeit auf zielrelevante Informationen und
        • lassen sich nicht von irrelevanten Informationen ablenken.
    • Langzeitspeicher
      unbegrenzte Kapazität und lebenslange Speicherung
      ("vergessene" Information ist noch vorhanden, jedoch der Zugriff darauf abhanden gekommen)

      "Lernen" ist der Pfeil vom Arbeitsgedächtnis zum Langzeitspeicher (Organisieren, Stärken/Wiederholen), Elaborieren, Generieren).

      Kritik: keine Aussage über Verarbeitungsprozesse, die innerhalb der Speicher beim Lernen ablaufen müssen.
  2. Modell der Verarbeitungstiefe (Craik und Lockhart, 1972)
    Die Art der Informationsverarbeitung bestimmt die Verfügbarkeit von Informationen im Gedächtnis.
    Levels of Processing:
    • Oberste Ebene: keine Bedeutungsverarbeitung. Nur sensorische/physikalische Aspekte; sehr oberflächlich
    • Unterste Ebene: Erkennen der Bedeutung (= Semantik) von Information
      Herausfiltern der Bedeutung und Verankerung in bestehenden kognitiven Netzwerken unter Rückgriff auf Vorwissen (= Tiefenverarbeitung)

  3. Arbeitsgedächtnismodell (Baddeley et al., 1974) = weiterführendes Modell.
    • Die zentrale Exekutive steuert die Informationsverarbeitung (ressourcenbegrenzt); Bedeutung steigt mit Komplexität der Aufgabe und bei fehlenden Routinen (prozedurales Wissen); Metakognitive Funktion:
      • "Sie richtet die Aufmerksamkeit auf relevante Informationen,
      • verteilt die Aufmerksamkeit, wenn mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt werden müssen,
      • entscheidet, wann zwischen der Bearbeitung verschiedener Aufgaben gewechselt werden muss, und
      • fungiert als Schnittstelle zum Langzeitgedächtnis, von wo sie z. B. Informationen abruft, die für die Verarbeitung neuer Informationen gebraucht werden."
    • Phonologische Schleife und Visuell-räumlicher Notizblock konkurrieren nicht miteinander. Verbal-akustische Informationen konkurrieren daher nur mit anderen verbal-akustischen Informationen; ebenso visuell-räumliche Informationen.
    • Der episodische Puffer fungiert als Brücke - episodische Informationen (= Ereignisse) verschiedener Modalitäten werden zwischengespeichert.

    • Die phonologische Schleife ist gut erforscht:
      • phonologischer Speicher (2 Sekunden), danach
      • Artikulationsprozess (notwendig für längere Verfügbarkeit im Arbeitsgedächtnis)!

Für die Pädagogische Psychologie ist das Arbeitsgedächtnis von besonderer Bedeutung!
Herausforderung wegen begrenzter Kapazität, aber:
prinzipiell sind im Arbeitsgedächtnis ablaufende Prozesse bewusst, und somit für Instruktion und Erfassung besonders gut erreichbar!

Artelt & Wirth, 2014

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